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13.02.2023

Hinweisgeberschutzgesetz: Verweigerte Zustimmung des Bundesrats

Politische Kompromisssuche über Vermittlungsausschuss?

Einleitung

Das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes verzögert sich weiterhin. Zwar hat der Bundestag noch vor Weihnachten das Gesetz mit einigen Änderungen verabschiedet (siehe unseren Blogbeitrag vom 22.12.2022). In der Sitzung des Bundesrats am 10. Februar 2023 kam dessen erforderliche Mehrheit jedoch nicht zustande. Insbesondere die unionsgeführten Bundesländer haben sich der Zustimmung verweigert. Die Union setzt damit einen Streit fort, der bereits in der letzten Legislaturperiode zwischen den Partnern der Großen Koalition bestand und dazu geführt hat, dass damals das Gesetz nicht innerhalb der Umsetzungsfrist der Richtlinie (EU) 2019/1937 verabschiedet werden konnte. Das Gesetz kann mithin nun nicht, wie geplant, im Frühjahr 2023 in Kraft treten.

Hintergrund

Das Hinweisgeberschutzgesetz soll den Umgang mit Meldungen von Beschäftigten zu bestimmten Verstößen in Unternehmen sowie in Behörden regeln und zum Schutz ebendieser Personen vor Repressalien beitragen. Im Wesentlichen dient der Gesetzentwurf der Umsetzung der EU-Hinweisgeber-Richtlinie, die der deutsche Gesetzgeber bereits zum 17. Dezember 2021 hätte umsetzen sollen. Wegen erfolgloser Versäumnis dieser Frist wurde bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland von der EU-Kommission eingeleitet.

Mögliche Kompromisssuche über Vermittlungsausschuss

Es bleibt abzuwarten, ob Bundestag und Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen und auf diese Weise mit dem Bundesrat über einen Kompromiss beraten werden. Dem Vermittlungsausschuss, bestehend aus Mitgliedern des Bundestags und Bundesrats, kommt nach dem Grundgesetz die Aufgabe zu, unterschiedliche Vorstellungen der beiden am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe zu einem Gesetzesvorhaben zum Ausgleich zu bringen. Alternativ kann der Gesetzentwurf in einer nicht-zustimmungspflichtigen Form erneut in den Bundestag eingebracht werden, wozu sich der Bundestagsabgeordnete Dr. Till Steffen (Bündnis 90/Die Grünen) noch am Freitag äußerte.

Verpflichtende Bearbeitung anonymer Meldungen

Der Gesetzentwurf ist auf Kritik insbesondere der von den Unionsparteien geführten Bundesländer gestoßen. Laut Medienberichten wurde die neu aufgenommene Änderung der verpflichtenden Bearbeitung anonymer Meldungen, die erst ab 1. Januar 2025 in Kraft treten sollte, kritisiert. Einige Nichtregierungsorganisationen entgegneten, dass Anonymität ohnehin zur bewährten Praxis vieler Unternehmen und Behörden gehöre und ihr gleichzeitig eine hohe Bedeutung für den Schutz hinweisgebender Personen zukomme. In der Praxis lässt eine Vielzahl der bestehenden Systeme bereits ohnehin die Abgabe anonymer Meldungen zu. Da auch die gleichwertige Möglichkeit einer Meldung gegenüber behördlichen Stellen eine anonyme Abgabe zulässt und die Unternehmen zugleich ein Interesse daran haben sollten, zuerst von meldepflichtigen Sachverhalten zu erfahren, sind sie gut beraten, ihr Angebot ähnlich niedrigschwellig zu gestalten. Zudem werden stets Meldungen über anonyme E-Mail-Postfächer möglich sein, denen – wenn sie einen hinreichend konkreten Verdacht begründen – auch wird nachgegangen werden müssen. Insofern läuft die Kritik der Union letztlich ohnehin ins Leere.

Mehr Kosten und bürokratischer Aufwand vor allem für KMU

Weiter wird als Grund für die Ablehnung angeführt, dass das Gesetz zu einem Wettbewerbsnachteil für kleine und mittelständische Unternehmen führen könne, indem die darin auferlegten und teils bußgeldbewehrten Verpflichtungen mit großem bürokratischem Aufwand und hohen Kosten einhergehe. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang kritisiert, dass der deutsche Gesetzentwurf im Anwendungsbereich über die Richtlinie hinausgehe. Diese erstreckt die Möglichkeit, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße abzugeben, nur auf einige gesondert aufgezählte Regelungsbereiche, für die die EU die Gesetzgebungskompetenz hat. Der deutsche Entwurf wollte diese Möglichkeit auf alle Straftatbestände und einzelne Ordnungswidrigkeiten erweitern. Auch hier fürchtet die Opposition Mehraufwand für die Unternehmen. Ein solcher Mehraufwand dürfte aber nur entstehen, wenn Unternehmen Meldungen von Rechtsverstößen zunächst rechtlich bewerten und dann, abhängig davon, ob sie von der Richtlinie erfasst sind oder nicht, unterschiedlichen Verfahren zur Untersuchung und zum Schutz hinweisgebender Personen zuführen würden. Die meisten Unternehmen wenden daher ohnehin bereits jetzt ein einheitliches System zur internen Untersuchung an, welches insgesamt den Non-Retaliation-Grundsatz wahrt.

Rechtsunsicherheit bei gleichzeitigem Zeitdruck

Mit der nunmehrigen Ablehnung durch den Bundesrat bleibt die Rechtsunsicherheit für Hinweisgebende, aber auch für die nach dem Gesetz verpflichteten Unternehmen bestehen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland ist letztlich eine Frage der Zeit, die die Unternehmen zum Anlass nehmen können, ihre Hinweisgebersysteme zu prüfen und auf einen rechtskonformen Stand zu bringen.

 

Gerne unterstützen wir Sie bei der Konzeptionierung und Implementierung der für Ihr Unternehmen geeigneten Hinweisgebersysteme, um neben der Erfüllung künftiger gesetzgeberischer Anforderungen angemessene und effektive Lösungen zu finden. Daneben beraten wir auch bei der Anpassung bestehender Hinweisgeber-Schutzkonzepte, zu denen nicht nur die Ausgestaltung des Systems als solches gehört, sondern der gesamte Prozess von der Entgegennahme von Meldungen bis zu deren Bearbeitung und Untersuchung. Hierfür sind klar definierte, einheitliche und transparente Prinzipien und Prozessabläufe sowie der Einsatz geschulter Ressourcen notwendig. Im Anschluss an eine interne Untersuchung beraten wir Unternehmen bei der Ahndung identifizierten Fehlverhaltens, bei der Vornahme von Mitigations- und Verbesserungsmaßnahmen, bei der gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen sowie bei der Sicherstellung, dass die hinweisgebende Person nicht benachteiligt wird.