Aktuelles von Pohlmann & Company

29.11.2022

Compliance-Defense: BGH honoriert nachträgliche Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldbemessung

In seinem Beschluss vom 22. April 2022 (Az.: 5 StR 278/21) hat sich der BGH zum ersten Mal nach seinem wegweisenden Urteil vom 9. Mai 2017 (Az.: 1 StR 265/16) erneut mit der Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen bei der Bußgeldverhängung nach § 30 OWiG befasst.

Privilegierung durch Einführung umfassender Compliance-Maßnahmen und eines Hinweisgebersystems

Bereits in seinem Urteil von 2017 hatte der BGH bestätigt, dass bei der Verhängung einer Geldbuße gegen eine sog. Leitungsperson die Einrichtung eines effektiven auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegten Compliance-Systems zu einer Minderung der Geldbuße führen kann. Hierbei könne insbesondere auch eine Rolle spielen, ob die Leitungsperson (erst) in der Folge des eröffneten Strafverfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Rechtsverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert würden.

Diese sehr offen gehaltene Formulierung griff der BGH nunmehr auf und benannte erstmals einzelne Umstände, die bei der Bemessung des Ahndungsteils einer Geldbuße mildernd zu berücksichtigen sind. Konkret führte der BGH hierzu aus, dass ein anschließender Selbstreinigungsprozess – hier die Einführung umfassender Compliance-Maßnahmen und eines Hinweisgebersystems – honoriert werden können.

Compliance Defense – Quo vadis?

Die nunmehr wiederholte Bestätigung der positiven Berücksichtigung von auch erst nach Tatentdeckung ergriffener Compliance-Maßnahmen bei der Strafzumessung ist zu begrüßen. Leider verbleibt es im Hinblick auf die Frage, welche – ggf. auch völlig tatunabhängigen präventiven – Maßnahmen im Einzelfall zu einer Bußgeldminderung führen können, weiterhin bei einer gewissen Rechtsunsicherheit.

Einen Vorstoß zur Verankerung der strafmildernden Wirkung von (präventiven) Compliance-Maßnahmen hatte der Gesetzgeber in der vergangenen Legislaturperiode in dem Entwurf zum Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E) unternommen (siehe hierzu unseren Blog-Beitrag). Die neue Regierung hat das Gesetzesvorhaben weiterhin auf der Agenda, jedoch aufgrund der aktuellen politischen Lage zurückgestellt. Aus Koalitionskreisen ist indes zu vernehmen, dass der Reformationsprozess im neuen Jahr wieder aufgenommen werden soll. So hat erst kürzlich Justizminister Buschmann auf einer Tagung mitgeteilt, dass es zwar kein neues Verbandssanktionsgesetz geben soll. Stattdessen sei aber geplant, das bereits existierende OWiG-System anzupassen und zu erweitern, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite.

Wie gewohnt werden wir die weitere Entwicklung verfolgen und regelmäßig hierzu auf unserem Blog berichten.

Fazit

Dass aus der allgemeinen Legalitätspflicht für die Unternehmensgeschäftsführung die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems erwächst, hatte das OLG Nürnberg bereits im März dieses Jahres bestätigt (Urteil vom 30.3.2022, Az.: 12 U 1520/19 – siehe hierzu unseren Blog-Beitrag). Nicht nur vor dem Hintergrund einer zunehmend wahrscheinlichen strafmildernden Wirkung von Compliance-Maßnahmen, sondern insbesondere auch mit Blick auf mögliche organschaftliche Schadensersatzpflichten, sollten Geschäftsleiter für die Einrichtung eines effektiven Compliance-Management-Systems sorgen, dessen Angemessenheit und Funktionsfähigkeit in der Praxis monitoren und testen und bei Bedarf für entsprechende Anpassungen Sorge tragen.

Wir unterstützen Unternehmen regelmäßig bei ihren Überlegungen, der Prüfung sowie der Weiterentwicklung von Compliance-Maßnahme, um effektive und zugleich „verteidigungssichere“ Compliance-Management-Systeme zu implementieren. Gerne können Sie uns jederzeit ansprechen.