Aktuelles von Pohlmann & Company

15.06.2021

Bekämpfung von unternehmerischem Fehlverhalten – Hell and High Water

Deutschland: Verbandssanktionengesetz vorläufig gescheitert

Nun ist es offiziell: Nachdem sich diese Entwicklung schon seit einigen Monaten abgezeichnet hat, ist das Gesetzesvorhaben für ein deutsches Verbandssanktionengesetz nun gescheitert; jedenfalls für diese Legislaturperiode.

Obwohl sich die Regierungsparteien schon 2018 im Koalitionsvertrag auf ein „Neues Sanktionsrecht für Unternehmen“ verständigt hatten und bereits im August 2019 ein „inoffizieller“ Referentenentwurf vorlag (siehe hierzu unseren Blog-Beitrag vom 29. August 2019), der es schlussendlich unter dem Titel „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ bis 2020 zum Regierungsentwurf schaffte (siehe hierzu auch unseren Blog-Beitrag vom 24. April 2020), ist das Vorhaben nach intensiven Diskussionen in den vergangenen Monaten nun (vorläufig) gescheitert. Als einer der Hauptgründe für das Scheitern gilt die Uneinigkeit im Umgang mit internen Untersuchungen. Insbesondere die avisierte Trennung zwischen strafrechtlicher Verteidigung einerseits und anwaltlicher Beratung und Unterstützung bei der internen Untersuchung und das damit einhergehende nur beschränkte Beschlagnahmeverbot für etwaige Untersuchungsergebnisse erwies sich als offensichtlich nicht konsensfähig (vgl. Artikel der FAZ vom 9. Juni 2021).

Ob und inwieweit es nach der Bundestagswahl im Herbst zu einem neuen Anlauf für ein Unternehmensstrafrecht kommt, bleibt abzuwarten. Einige Wahlprogramme lassen immerhin vermuten, dass ein Unternehmensstrafrecht auch in der nächsten Legislaturperiode wieder auf der Agenda stehen wird. Kein Anlass also, unternehmerische Präventions- und Compliance-Bemühungen zurückzustellen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verfolgung von Unternehmensstraften jedenfalls international weiterhin ganz oben auf der Agenda steht, insbesondere mit Blick auf Korruption, Geldwäsche und betrügerische Aktivitäten.

Vereinigten Staaten: Kampf gegen Korruption zu zentralen Interesse der nationalen Sicherheit erklärt

So zeigen vor allem neue Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, dass der Kampf gegen Korruption wieder deutlich in den Vordergrund gerückt wird. Am 3. Juni 2021 veröffentlichte Präsident Joe Biden ein sog. „Presidential Action„, in welchem er den globalen Kampf gegen Korruption zu einem zentralen Interesse der nationalen Sicherheit erklärte (Memorandum on Establishing the Fight Against Corruption as a Core United States National Security Interest). Das Memorandum fordert mehr als ein Dutzend amerikanischer Bundesbehörden auf, innerhalb von 200 Tagen einen Bericht vorzulegen, der konkrete Vorschläge zur Verhinderung und aktiven Bekämpfung von Korruption auf nationaler wie internationaler Ebene enthalten soll. Es steht zu erwarten, dass diese Initiative deutliche Auswirkungen auf die Tätigkeiten von Ermittlungsbehörden im Bereich der internationalen Korruptionsbekämpfung haben wird.

Europa: Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) nimmt ihren Dienst auf

Aber auch auf europäischer Ebene wird der Kampf gegen Unternehmensstraftaten nun erkennbar vorangetrieben: Am 1. Juni 2021 hat die Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) ihren Dienst aufgenommen, deren Aufgabe insbesondere der Schutz „der europäischen Steuerzahler bei Straftaten wie Geldwäsche, Korruption und grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug“ ist. So hat die EuStA insbesondere die Aufgabe, Untersuchungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zu folgenden gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteten Betrugsdelikten und anderen Straftaten durchzuführen (siehe hierzu auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission).

In Gesprächen mit Medienvertretern betonte die erste Europäische Generalstaatsanwältin, Laura Kövesi, dass die EuStA in alle Bereichen, in denen EU-Fördergelder im Spiel seien, genau anschauen werde. Zu den Prioritäten zählte sie die Gesundheitsvorsorge, die Landwirtschaft, die Investitionsförderung sowie die öffentliche Auftragsvergabe. Zudem teilte Kövesi mit, dass der erste registrierte Fall aus Deutschland kam (siehe hierzu auch das Interview mit Laura Kövesi im Handelsblatt vom 9. Juni 2021 („Kein Land ist sauber„).

Ausblick

Auch wenn das Verbandssanktionengesetz in Deutschland vorerst nicht in Kraft treten wird, nimmt das Strafverfolgungsrisiko international aktiver Unternehmen kontinuierlich weiter zu. Unternehmen sollten daher keinesfalls in eine Ruhepause gehen, sondern ihre im Lichte des Verbandssanktionengesetzes begonnenen Compliance-Anstrengungen unbeirrt fortsetzen. Dies auch, weil sanktionsrechtlich relevante Regularien weiterhin zunehmen und auch in Deutschland bereits weitere Compliance-relevante Gesetzesinitiativen in den Startlöchern stehen, wie etwa das Hinweisgeberschutzgesetz (vgl. hierzu unseren Blog-Beitrag vom 18. Februar 2021), oder aber bereits verabschiedet wurden, wie etwa die Einführung eines Lobbyregistergesetzes (verabschiedet am 25. März 2021) oder das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten sowie das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz (beide verabschiedet am 11. Juni 2021).

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