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05.09.2019

Münchner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes

Rechtsexperten stellen „Alternativentwurf“ zum Referentenentwurf des Verbandssanktionengesetzes vor

Am 5. September 2019 stellten Prof. Dr. Frank Saliger (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München) und ein Team der Kanzlei Tsambikakis & Partner ihren gemeinsam erarbeiteten Münchner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes vor.

 

Eigenständiges Recht der Verbandssanktionen

Erklärtes Ziel des Entwurfs ist ein am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiertes Sanktionsrecht für Unternehmen, das klare Regelungen zu internen Untersuchungen enthält und durch die Berücksichtigung von Compliance-Bemühungen (sowohl vor als auch nach der Tat) für Unternehmen Anreize zu rechtmäßigem Verhalten schafft. Das Verbandssanktionsrecht soll nach diesem Ansatz als Rechtsinstrument eigener Art neben das geltende Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht treten.

Nach dem Entwurf sollen sowohl Zuwiderhandlungen von Leitungspersonen als auch Rechtsverstöße durch Mitarbeiter sanktioniert werden, sofern diese in Wahrnehmung von Angelegenheiten des Unternehmens erfolgen. Taten zum ausschließlichen Eigennutz oder sonstige „betriebsfremde Exzesstaten“ sollen dagegen nicht zu einer Sanktionierung des Verbands führen.

Anders als die – am Kartellrecht orientierten – Regelungen des Referentenentwurfs (siehe hierzu unseren Beitrag Verbandssanktionengesetz) sieht der Münchner Entwurf eine Staffelung der Verbandssanktionen nach der Größe des Unternehmens vor. Die Verbandsgeldzahlung beträgt für fahrlässige Verbandsverfehlungen bis zu 10 Millionen Euro und für vorsätzliche Verbandsverfehlungen bis zu 20 Millionen Euro. Für Unternehmen mit einem durchschnittlichen Umsatz von 500 Millionen Euro bis zu zwei Milliarden Euro verdoppeln sich diese Beträge; bei einem Umsatz über zwei Milliarden Euro verzehnfachen sie sich. Die Verbandsgeldzahlung beträgt demnach maximal 200 Millionen Euro zuzüglich einer möglicher Gewinnabschöpfung.

Kleinere Unternehmen (unter 50 Mitarbeiter und jährlicher Umsatz von höchstens 10 Millionen Euro) sind – gestützt auf Verhältnismäßigkeitserwägungen – vom Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs von vornherein ausgenommen (nicht jedoch von der Anwendbarkeit anderer straf- oder bußgeldbewehrter Vorschriften).

 

Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen; Monitorships

Der Entwurf berücksichtigt das Compliance-Verhalten vor und nach der jeweiligen Verbandsverfehlung der betroffenen Unternehmen an mehreren Stellen. So können Compliance-Systeme des Unternehmens sowohl zur Einstellung des Verfahrens als auch zum Absehen von der Sanktionierung führen oder Gegenstand von Auflagen und Weisungen sein. Die entsprechenden Maßnahmen der sog. ‚Criminal Compliance‘ (durch das Unternehmen ergriffene Organisations- und Aufsichtsmaßnahmen) werden im Entwurf näher definiert (u.a. sorgfältige Auswahl und Instruktion von Mitarbeitern, regelmäßige Risikobewertungen, Durchführung von Schulungen, Hinweisgeberprozess und Aufklärung von Verdachtsmomenten). Nicht nur an dieser Stelle folgt der Entwurf dem US-amerikanischen Vorbild.

Zur Überwachung der Erfüllung von Auflagen wie der Implementierung von Compliance-Maßnahmen oder der Wiedergutmachung des Schadens kann das Gericht für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit einen Monitor bestellen, der dem Unternehmen Vorschläge zur Erfüllung der Auflagen unterbreiten kann und dem Gericht regelmäßig Bericht erstattet.

 

Interne Untersuchungen in Abstimmung mit den Ermittlungsbehörden

Dem Bereich der internen Untersuchungen widmet der Münchner Entwurf einen eigenen Teil. Unter anderem finden sich hier ausführliche Regelungen für die Durchführung der Untersuchung, wie etwa die Benennung eines unabhängigen (externen) Untersuchungsführers mit Befähigung zum Richteramt, die Art und Weise und die Häufigkeit der Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft.

Der Entwurf adressiert damit Fragen von hoher praktischer Relevanz wie die Abstimmung mit den Individualverteidigern weiterer Beschuldigter, die Rechte zu befragender Mitarbeiter, sich von einem Anwalt oder Betriebsrat vertreten zu lassen, sowie die generelle Einbindung des Betriebsrats im Prozess für interne Untersuchungen mittels Betriebsvereinbarung und versucht dieser einer Klärung zuzuführen.

In der vielfach diskutierten Frage der Beschlagnahmefreiheit bei internen Untersuchungen entscheidet der Entwurf – wiederum in Anlehnung an das US-Recht – zugunsten der Kommunikation zwischen Verband und Ermittlungsführer und schafft damit eine Art ‚Legal Privilege‘ über die reine Verteidigerkorrespondenz hinaus.

 

Schlussfolgerungen

Die inhaltlichen Schwerpunkte des Münchner Entwurfs unterscheiden sich von denen des Referentenentwurfs des Verbandssanktionengesetzes – z. B. in der Ausformulierung der Anforderungen an Compliance-Systeme, den detaillierten Regelungen zu internen Untersuchungen, die – im Falle der Verabschiedung durch den Gesetzgeber – zur Rechtssicherheit der beteiligten Unternehmen, Mitarbeiter und eingeschalteten Berater/Kanzleien beitragen würden. Der Münchner Entwurf setzt auch in Fragen der – persönlichen wie sachlichen – Anwendbarkeit sowie der Verhältnismäßigkeit deutliche Akzente, die in jedem Falle eine Bereicherung des gesetzgeberischen Diskurses bedeuten.

Wir werden die weitere Entwicklung verfolgen und regelmäßig hierzu auf unserem Blog berichten.

Lassen Sie uns gerne wissen, wenn Sie zu dem Entwurf oder damit im Zusammenhang stehenden Themen Fragen haben.