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13.04.2022

Monitor oder kein Monitor? – Was Compliance-Programme in der Praxis effektiv macht

Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Kenneth A. Polite Jr., der als Staatsanwalt, Strafverteidiger und Chief Compliance Officer tätig war, kennt die Herausforderungen, wenn es darum geht, als Informationsquelle zu dienen, Gesetze und Richtlinien durchzusetzen und eine ethische Kultur im Unternehmen zu schaffen. In einem Vortrag, den er am 25. März 2022 im Rahmen des NYU Law’s Program on Corporate Compliance and Enforcement hielt, beschrieb er detailliert, was das US-Justizministerium (Department of Justice, „DoJ“) von effektiven Corporate Compliance-Programmen erwartet und wie es solche bewertet. Außerdem sprach er über die Kriterien, anhand derer das DoJ entscheidet, ob ein unabhängiger Monitor eingesetzt werden sollte.

Drei Erwartungen des DoJ an ein effektives Compliance-Programm

Im Einklang mit dem DoJ-Leitfaden aus 2020 zur Bewertung von Corporate-Compliance-Programmen (sehen Sie hierzu unseren Blogbeitrag: https://www.pohlmann-company.com/neuer-leitfaden-des-doj-zu-corporate-compliance-programmen/), stellte Polite in seiner Rede zunächst fest, dass das DoJ von Compliance-Programmen erwartet, dass sie

(1) gut konzipiert sind,

(2) mit angemessenen Ressourcen und Befugnissen ausgestattet sind, um effektiv zu funktionieren, und außerdem

(3) in der Praxis funktionieren.

Für alle drei Kategorien führte Polite weitere Einzelheiten aus: Um zu überprüfen, ob das Compliance-Programm eines Unternehmens angemessen konzipiert ist (1), wird das DoJ die Verfahren des Unternehmens zur Bewertung seiner Risiken und zur Entwicklung eines Programms prüfen, das auf das spezifische Risikoprofil des Unternehmens zugeschnitten ist. Die Richtlinien und Verfahren müssen so gestaltet sein, dass sie die ermittelten Hauptrisiken abdecken, und müssen für alle Beteiligten leicht zugänglich und verständlich sein. Von den Unternehmen wird erwartet, dass sie alle Mitarbeiter, Führungskräfte und Dritte in den relevanten Risikobereichen und den daraus resultierenden Verantwortlichkeiten schulen. Darüber hinaus sollten gut konzipierte Compliance-Programme verlässliche Meldeverfahren vorsehen, die die Mitarbeiter ermutigen, potenzielle Verstöße gegen Gesetze oder Richtlinien anzusprechen, ohne Vergeltungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Meldungen müssen ernst genommen, untersucht, dokumentiert und, falls erforderlich, behoben werden.

In Bezug auf die Angemessenheit der Ressourcen und ihrer Fähigkeit, effektiv zu arbeiten (2), betonte Polite, dass es nicht um „Geld, Personalbestand und Berichtslinien“ gehe, sondern vielmehr um die Qualifikationen und das Fachwissen der relevantesten Compliance-Mitarbeiter und der Kontrollfunktionen. Wie er erläuterte, müssen die Compliance-Officer über einen angemessenen Zugang zum Geschäft und zur Unternehmensleitung verfügen und sich mit diesen tatsächlich auseinandersetzen. Von Compliance-Officern wird erwartet, dass sie einen angemessenen Stellenwert im Unternehmen haben und als wichtige Ressource gefördert werden, um den Einfluss des Compliance-Officers auf die Entscheidungsfindung des Unternehmens zu gewährleisten. Die Verpflichtung zur Förderung von Compliance und ethischen Werten „von oben nach unten“ wird als äußerst wichtig angesehen.

Letztendlich möchte das DoJ solide Beweise dafür sehen, dass das Compliance-Programm in der Praxis funktioniert (3), indem es insbesondere evaluiert, ob das Unternehmen die Wirksamkeit seines Compliance-Programms kontinuierlich überprüft, um es im Lichte sich verändernder Risiken und festgestellter Lücken oder Verstöße weiterzuentwickeln und zu verbessern. Polite betonte, dass die Unternehmen auch die Ursachen für diese Lücken oder Verstöße angehen und Maßnahmen als auch Kontrollen ermitteln und umsetzen müssen, die eine Wiederholung verhindern. Polite forderte „Erfolgsgeschichten“ aus dem wirklichen Leben und bezog sich dabei auf die Umsetzung von Disziplinarmaßnahmen, die Honorierung von Compliance-Vorbildern, die Ablehnung von Geschäftsmöglichkeiten oder -transaktionen aufgrund von Compliance-Risiken, positive Trends bei der Meldung von Hinweisgebern und die Kooperation, die sich zwischen Compliance-Officer und dem Unternehmen entwickelt hat.

Die Bedeutung einer ethischen Kultur und wie sie in der Praxis umgesetzt werden kann

In Anlehnung an die Rede der stellvertretenden Generalstaatsanwältin Lisa Monaco vom Oktober 2021 (sehen Sie hierzu unseren Blogbeitrag: https://www.pohlmann-company.com/us-justizministerium-kuendigt-konsequentere-strafverfolgung-an/) verwies auch Polite ausdrücklich auf die Compliance-Kultur der Unternehmen und die Notwendigkeit, diese kontinuierlich zu prüfen, zu messen und zu verbessern.

Er betonte, wie wichtig es für das DoJ ist, dass die Unternehmen eine Compliance- und Ethikkultur in der Praxis vorweisen können. In diesem Zusammenhang würden sie z.B. prüfen, ob sich die Mitarbeiter ermächtigt fühlen, ihre Meinung zu sagen, ob die Compliance-Beauftragten auch dann Ratschläge erteilen, wenn dies zum Abbruch laufender Verhandlungen oder Geschäftsbeziehungen führt, und inwieweit Unternehmen auf früheres Fehlverhalten reagieren. Idealerweise führen Unternehmen unabhängige Tests durch, z.B. über die Wirksamkeit ihrer Schulungen, ihrer Kommunikation und ihrer Kultur, und nehmen Verbesserungen vor, wenn sie dies für notwendig erachten. Die unternehmenseigene Compliance-Kultur ist dabei von den internen Compliance-Officern und leitenden Angestellten nachzuwiesen – und nicht von externen Beratern.

Der Ansatz des DoJ zur (Nicht-)Einsetzung eines unabhängigen Monitors

Mit Blick auf die Einsetzung unabhängiger Monitore als Teil eines Settlements signalisierte Polite eine klare Abkehr von der vorherigen Regierung und ihrem Ansatz in Bezug auf Monitorships: Monitorships seien ein wirksames Instrument zur Stärkung von Compliance-Programmen in Unternehmen, insbesondere in Fällen, in denen die Compliance-Schwächen dieser Unternehmen zu kriminellem Verhalten und systematischem Fehlverhalten geführt haben.

Säumige Unternehmen sollten damit rechnen, dass das DoJ von Monitorships Gebrauch machen wird. Nur unter bestimmten Umständen wird es vom Einsatz eines Monitors absehen, z. B. wenn ein Unternehmen nach dem betreffenden Fehlverhalten bereits in die Einführung eines starken Compliance-Programms investiert, die Wirksamkeit seiner Compliance-Kontrollen bereits getestet, risikoadäquate Aktualisierungen seines Compliance-Programms vorgenommen und in der Zwischenzeit eine starke Compliance-Kultur geschaffen hat.

Polite erläuterte, dass für den Fall, dass das DoJ die Einsetzung eines unabhängigen Monitors nicht für notwendig erachtet, die Unternehmen dennoch ihren Verpflichtungen aus dem Settlement nachkommen müssen, ein wirksames Compliance-Programm einzuführen und aufrechtzuerhalten, zu kooperieren und dem DoJ glaubwürdige Anschuldigungen von Fehlverhalten zu melden. Eine spezielle Einheit innerhalb des DoJ wird die Verantwortung dafür übernehmen, die entsprechenden Arbeitspläne und Selbstberichte dieser Unternehmen zu überprüfen und ihre Fortschritte bei der Selbstüberprüfung und -kontrolle ihrer Compliance-Programme und internen Kontrollen zu bewerten. Unternehmen, die diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, müssen weiterhin mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen.

Ausblick und Schlussfolgerung

Polites Rede gibt einen hilfreichen Einblick in die Erwartungen des DoJ an ein wirksames Compliance-Programm und die Grundlagen für dessen Entscheidungen, insbesondere in Bezug auf die Einsetzung eines Monitors.

Zusammenfassend betonte Polite, dass das DoJ generell daran interessiert ist, zu erfahren, ob alles getan wurde, um sicherzustellen, dass ein Mitarbeiter, der sich ethischen Herausforderungen gegenübersieht, angemessen informiert, geschult und befähigt wurde, die richtige Entscheidung zu treffen, und ob für den Fall, dass eine falsche Entscheidung getroffen wird, ein wirksames System vorhanden ist, welches eine solche Entscheidung sofort aufdeckt, korrigiert, diszipliniert und eine Wiederholung verhindert.

Die Entscheidung des DoJ, einen unabhängigen Monitor beizuordnen oder nicht, folgt demnach dieser Logik: Denjenigen Unternehmen, die nachweisen können, dass sie über die notwendige robuste ethische Kultur, den erforderlichen organisatorischen Aufbau, angemessene praktische Mittel und die allgemeine Reife verfügen, um sich quasi selbst zu überwachen und ihre Compliance-Programme kontinuierlich weiterzuentwickeln, wird kein Monitor an die Seite gestellt. In diesem Fall wird das DoJ in Erwägung ziehen, sowohl den Chief Executive Officer als auch den Chief Compliance Officer des Unternehmens zur Bestätigung zu verpflichten, dass das Compliance-Programm des Unternehmens angemessen konzipiert und umgesetzt ist und effektiv funktioniert. Außerdem müssen der CEO und der CCO bestätigen, dass alle dem DoJ vorgelegten Selbstberichte wahrheitsgemäß, genau und vollständig sind.

Unternehmen sind gut beraten, ihre Compliance-Programme ständig zu überprüfen, zu testen und zu aktualisieren, um den Erwartungen gerecht zu werden, die das DoJ in diesen Tagen immer häufiger und detaillierter erläutert. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Frage gewidmet werden, ob ein Compliance-Programm in der Praxis tatsächlich funktioniert, auch im Falle des immer möglichen Fehlverhaltens Einzelner. Sobald eine behördliche Untersuchung eingeleitet ist und das Unternehmen auf einen DoJ-Vergleich hinarbeitet, sollte es alle Anstrengungen unternehmen, die gewünschte Effektivität und Reife seines Compliance-Programms sowie seiner internen Kontrollen auf- bzw. auszubauen. In diesem Zusammenhang sollten Unternehmen immer in Erwägung ziehen, die notwendige kritische Überprüfung und erfahrene, maßgeschneiderte Unterstützung im Rahmen eines „freiwilligen Monitorings“ in Anspruch zu nehmen.

Zögern Sie nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen, wenn Sie Fragen zu U.S. Corporate Enforcement, Monitorships oder zur Entwicklung des Compliance-Programms Ihres Unternehmens haben. Wir verfügen über eine beachtliche Erfolgsbilanz als (freiwillige oder obligatorische) Compliance-Monitore für Unternehmen und teilen gerne unsere Gedanken und Erfahrungen darüber mit, was das DoJ und andere Strafverfolgungsbehörden in den USA und anderswo von Ihnen erwarten.

 

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