Aktuelles von Pohlmann & Company

11.11.2021

US-Justizministerium kündigt konsequentere Strafverfolgung an

Das Hauptaugenmerk des US-Justizministeriums wird künftig auf belastbaren Compliance-Programmen und einem echten Kulturwandel liegen, sofern erforderlich mit der Unterstützung von Compliance Monitors.

Hintergrund

In einer Rede während des 36. National Institute on White Collar Crime der American Bar Association (ABA) am 28. Oktober 2021 kündigte die stellvertretende Generalstaatsanwältin Lisa O. Monaco an, dass das US-Justizministerium (Department of Justice, DOJ) plane, seine Bemühungen und Ressourcen zur weiteren Stärkung der strafrechtlichen Verfolgung von Unternehmen zu erhöhen. Übereinstimmend wird die Rede als Rückkehr zu den Strafverfolgungsstandards während der Obama-Ära wahrgenommen, einschließlich der unmissverständlichen Aufforderung der amerikanischen Behörden zu einer erhöhten Transparenz und Kooperation von Unternehmen.

Insbesondere auf die drei nachfolgenden Aspekte im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von Unternehmen durch das DOJ hob die stellvertretende Generalstaatsanwältin Monaco in ihrer Rede hervor:

  • Sanktionsmilderung bei Kooperation,
  • Berücksichtigung von früherem Fehlverhalten und
  • Einsatz von Compliance Monitors.

Darüber hinaus wies die stellvertretende Generalstaatsanwältin darauf hin, dass weitere Änderungen und Verschärfungen zu erwarten seien, nicht zuletzt in Zusammenhang mit der Einrichtung einer neuen Abteilung innerhalb des DOJ, einer sog. Corporate Crime Advisory Group, die sich mit diesen drei Aspekten und anderen wichtigen Fragen im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von Unternehmen befassen soll.

Die einzelnen Aspekte im Detail

Sanktionsmilderung bei Kooperation

Zunächst betonte die stellvertretende Generalstaatsanwältin die Absicht des DOJ, sich bei der strafrechtlichen Verfolgung von Unternehmen auch auf die Verantwortlichkeiten von Einzelpersonen hierfür konzentrieren zu wollen. Um dem gerecht zu werden, werde das DOJ zu den im sog. „Yates-Memorandum“ festgelegten Standards und Erwartungen an die Kooperation von Unternehmen mit den Behörden zurückkehren. Danach müssten Unternehmen fortan wieder „alle an dem Fehlverhalten beteiligten“ oder verantwortlichen Personen identifizieren und sämtliche Informationen über diese Personen bereitstellen, sofern diese Informationen nicht dem sog. Legal Privilege unterliegen. Nur im Falle einer derart umfassenden Kooperation komme eine Sanktionsmilderung in Betracht. Die jüngste Aufweichung dieser Standards, wonach Unternehmen nur noch über die „maßgeblich beteiligten“ Personen informieren mussten, sei verwirrend und unpraktikabel gewesen. Monaco betonte jedoch, dass auch weiterhin nur die Offenlegung von Informationen, die nicht dem Legal Privilege unterlägen, gefordert sei; unter keinen Umständen werde das DOJ die Anerkennung der Kooperationsbereitschaft von Unternehmen von einem Verzicht auf das Legal Privilege abhängig machen.

Berücksichtigung von früherem Fehlverhalten

Überaus deutlich waren die Ankündigungen der stellvertretenden Generalstaatsanwältin auch in Bezug auf ‚Wiederholungstäter‘: Das DOJ werde bei seinen Strafrechtsvereinbarungen mit Unternehmen (beispielsweise sog. Deferred Prosecution Agremeents) nicht nur früheres Fehlverhalten, das inhaltlich dem nunmehr untersuchten Verhalten entspräche, berücksichtigen, sondern vielmehr die gesamte straf-, zivil- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorgeschichte des Unternehmens mit einbeziehen, selbst wenn diese sich von dem vorliegend relevanten Verhalten unterschieden. Unternehmen sollten nicht mehr davon ausgehen, dass Strafrechtsvereinbarungen künftig jederzeit und unter einfachen Zugeständnissen zu haben seien, die nicht über die Zahlung eines für das Unternehmen erträglichen Geldbetrages hinausgingen. Der Anspruch an Unternehmen sei vielmehr, sich uneingeschränkt und aufrichtig für effektive Compliance Programme sowie generell für eine nachhaltige, ethische und integrere Unternehmenskultur einzusetzen.

Einsatz von Compliance Monitorships

Im letzten Teil ihrer Rede konzentrierte sich Monaco auf das Rechtsinstitut der sog. Compliance Monitore und die bewährte Praxis des DOJ, diese im Rahmen von Strafrechtsvereinbarungen und dezidierten Compliance-Auflagen als unabhängigen ‚Bewährungshelfer‘ des Unternehmens einzusetzen. Unter der letzten Regierung ist die Bestellung von Compliance Monitors durch das DOJ deutlich zurückgegangen. In diesem Zusammenhang wies Monaco auf das sogenannte „Benczkowski-Memorandum“ vom Oktober 2018 hin (siehe hierzu auch unserem Blogbeitrag vom 17. Oktober 2021), nach welchem nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten und möglichen Betriebsstörungen  die Maßgabe galt, dass “ Monitorships eher kritisch zu betrachten und nur im Ausnahmefall eingesetzt werden“ sollten. Monaco räumte zwar die Kosten von Strafverfolgungsmaßnahmen ein, trat dem bisher verfolgten Ansatz jedoch deutlich entgegen, indem sie erneut das Ziel des DOJ betonte, „Anreize für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln, eine Compliance-Kultur sowie ein Gefühl der Verantwortlichkeit zu schaffen„. Um dem gerecht zu werden, solle es den Strafverfolgungsbehörden freistehen, einen Compliance Monitor einzusetzen, wenn dies für angemessen erachtet wird.

Im Zuge dieser Neupositionierung stellte die stellvertretende Generalstaatsanwältin klar, dass die Auswahl des richtigen Compliance Monitors in einem ordnungsgemäßen Verfahren von größter Bedeutung sei. Sie kündigte an, dass das DOJ das Verfahren zur Auswahl von Compliance Monitors nochmals einer eingehenden Prüfung unterziehen werde. Darauf aufbauend würde ggf. ein standardisiertes Auswahlverfahren entwickelt, das langjährige Kritik aufgreife und insbesondere den bisweilen bestehenden Eindruck beseitige, bestimmte Personen würden bevorzugt als Compliance Monitors eingesetzt.

Wesentliche Schlussfolgerungen

Die Kernaussage der stellvertretenden Generalstaatsanwältin ist sehr deutlich: Die Strafverfolgungsaktivitäten des DOJ werden (wieder) strikter. Von Unternehmen, die künftig über die Einstellung ihrer Strafverfahren verhandeln, wird erwartet, dass sie sich offen, transparent und uneingeschränkt kooperativ zeigen. Vor allem werden sie sämtliche Informationen, die Führungskräfte des Unternehmens und andere in das relevante Fehlverhalten verwickelte Personen betreffen, offenlegen müssen.

Weiterhin sollten sich betroffene Unternehmen selbstkritisch zeigen und sich deutlich und nachhaltig für effective Präventions- und Abhilfemaßnahmen einsetzen. Sie sollten ihre Compliance-Programme regelmäßig überprüfen und angemessene Ressourcen bereitstellen, um sicherzustellen, dass potenzielles Fehlverhalten wirksam verhindert, aufgedeckt und behoben wird. Dazu gehört auch die Etablierung einer nachhaltigen Unternehmenskultur für ethisches und integres Verhalten im weitesteten Sinne.

Spätestens dann, wenn ein Fehlverhalten aufgedeckt wurde und entsprechende Verhandlungen mit dem DOJ anstehen, müssen Unternehmen sich und ihre Compliance-Programme schonungslos offen hinterfragen und unverzüglich notwendige Verbesserungsmaßnahmen in die Wege leiten. Als besonders weitsichtig und hilfreich kann sich in diesem Stadium der noch laufenden Ermittlungen und Verhandlungen die Eingehung eines freiwilligen Compliance-Monitorships erweisen. Sofern nämlich das DOJ bis zum Abschluss der Ermittlungen nicht das nötige Vertrauen in die Nachhaltigkeit des Compliance-Programms und die Unternehmenskultur des Unternehmens gewonnen hat, so formulierte die stellvertretende Generalstaatsanwältin in ihrer Rede, spräche nichts gegen die Auferlegung eines verpflichtenden Compliance-Monitorships.

 

Sollten Sie Fragen zur Strafverfolgung durch US-amerikanische Behörden oder andere Strafverfolgungsbehörden haben, oder Fragen zur Prüfung, Gestaltung und Weiterentwicklung des Compliance-Programms Ihres Unternehmens haben, stehen wir jederzeit gerne für ein Gespräch zur Verfügung. Wir verfügen über eine langjährige Erfahrung als (freiwillige oder behördlich auferlegte) Compliance-Monitore und sprechen gerne mit Ihnen über unsere Erfahrungen dazu, was das DOJ und andere Strafverfolgungsbehörden von Unternehmen erwarten.

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