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17.03.2022

Entwurf für eine Europäische Lieferkettenrichtlinie

Entwurf für eine Europäische Lieferkettenrichtlinie – deutliche Unterschiede zum deutschen Lieferkettengesetz

Bereits im Februar hat die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie zu Nachhaltigkeitssorgfaltsanforderungen (Directive on Corporate Sustainability Due Diligence) veröffentlicht. Sie greift wesentliche Gedanken und Regelungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) auf, das gestaffelt ab 01.01.2023 in Kraft treten wird.

Das deutsche LkSG war natürlich in vielerlei Hinsicht Vorbild für die europäische Regelung, hat doch der deutsche Gesetzgeber trotz seines Vorstoßes immer schon eine europäische Regelung angestrebt. Denn natürlich sollen deutsche Unternehmen zumindest im europäischen Vergleich keinen Nachteil gegenüber Wettbewerbern erleiden, wenn nur sie den strengen Regelungen des LkSG unterworfen sind. Der Richtlinienentwurf greift diesen Gedanken eines Level Playing Field nicht nur auf, er spinnt ihn auch weiter, wenn er die Regelung auf alle Unternehmen weltweit für anwendbar erklärt, soweit diese Unternehmen gewisse Umsatzschwellen in der EU überschreiten.

Vieles im Richtlinienentwurf mutet im Vergleich zum deutschen Recht wie eine Verschärfung an, so wird die für die Anwendbarkeit notwendige Mitarbeiterschwelle deutlich gesenkt, eine zivilrechtliche Haftung angeordnet, die das deutsche Recht noch ausdrücklich ausschließt, und zudem wirksame und abschreckende Sanktionen gefordert. An anderen Stellen bleibt der Entwurf aber hinter den deutschen Regelungen zurück. Wesentliche Unterschiede sind die Folgenden:

  • So wird die Zahl der Mitarbeiter:innen für die Bestimmung der Anwendbarkeit auf Grundlage von FTEs berechnet. Das deutsche Recht bestimmt die Anwendbarkeit nach der absoluten Zahl, was insbesondere Handelsunternehmen mit einer Vielzahl von Teilzeitbeschäftigten benachteiligt.
  • Das deutsche Recht berücksichtigt bei der Bestimmung der Mitarbeitendenanzahl auch verbundene Unternehmen (§ 15 AktG). Die Richtlinie betrachtet bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs jedes Unternehmen einzeln und bezieht Tochterunternehmen, bei denen ein beherrschender Einfluss vorliegt, dann in den Anwendungsbereich ein, wenn das Mutterunternehmen verpflichtet ist. Das hat große Auswirkungen auf Konzernstrukturen, bei denen die Holdinggesellschaft selbst nur wenige Arbeitnehmer:innen hat. Wenn diese nicht verpflichtet ist, werden es auch deren Tochterunternehmen, die selbst die Schwelle nicht überschreiten, nicht sein.
  • Zudem erfasst der Richtlinienentwurf nur Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. Insbesondere Personengesellschaften sind nicht in gleichem Maße erfasst.
  • Zusätzlich berücksichtigt der Richtlinienentwurf bestimmte Umsatzschwellen. Diese liegen bereits bei EUR 40,0 Mio., wenn mindestens 50 % des Umsatzes in bestimmten Risikobranchen erzielt werden, darunter Textilien, fossile Brennstoffe und Lebensmittel. Die sture Anknüpfung an den Umsatz ohne Rücksicht auf Gewinn und Margen führt auch hier wieder zu einer Benachteiligung des Einzelhandels.
  • Der Richtlinienentwurf sieht die Pflicht zum Aussetzen und – bei schweren Verstößen oder Risiken – zum Beenden der Geschäftsbeziehung bereits bei potenziell nachteiligen Auswirkungen (adverse impact) auf Menschenrechte und Umwelt vor, nicht erst bei tatsächlich festgestellten. Das deutsche Recht sieht dies nur bei tatsächlich festgestellten Verstößen und das auch nur als ultima ratio vor.
  • Zusätzlich sieht die Richtlinie in Art. 15 vor, dass bestimmte größere Unternehmen einen Plan aufstellen müssen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und -strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und dem 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens vereinbar ist. Damit werden die völkerrechtlichen Klimaziele des Pariser Abkommens nunmehr auch auf Unternehmensebene verbindlich. Mit dieser neuen Verpflichtung können Unternehmen, die nicht rechtzeitig oder einen unzureichenden Plan aufstellen, zukünftig noch stärker in den Fokus von Klimaklagen geraten.
  • Auch der materielle Kanon der in der Lieferkette zu beachtenden völkerrechtlichen Abkommen und darin niedergelegten Verbote geht im Richtlinienentwurf massiv über das deutsche LkSG hinaus. Der Richtlinienentwurf erfasst insgesamt 21 menschenrechtliche Abkommen (statt 11 im deutschen LkSG) und insgesamt 12 umweltvölkerrechtliche Abkommen (statt 3 im deutschen LkSG).

Wir haben die wesentlichen Unterschiede zwischen der deutschen Regelung und dem europäischen Richtlinienentwurf in folgender Synopse dargestellt: