Aktuelles von Pohlmann & Company

15.03.2023

DOJ überarbeitet Compliance Program Guidelines und präsentiert Pilot­programm für Clawbacks

In einer Reihe von Neuerungen hat die Strafabteilung des US-Justizministeriums (DOJ) erstmalig ein Pilotprogramm für Vergütungsanreize und Rückforderungen (Pilotprogramm) vorgestellt, die Bewertungskriterien für Compliance-Programme überarbeitet und das bestehende Memorandum zum Einsatz von Monitoren im Rahmen von Strafverfahren aktualisiert.

Das Pilotprogramm der Strafkammer zu Vergütungsanreizen und Rückforderungsklauseln

Im Rahmen des 38. American Bar Association (ABA) National Institute on White Collar Crime kündigten die stellvertretende Justizministerin Lisa Monaco und der stellvertretende Generalstaatsanwalt Kenneth Polite den Start eines Pilotprogramms an, das sich mit Vergütungsanreizen und Rückforderungsklauseln (sog. clawback clauses) beschäftigt. Das Pilotprogramm ist eine auf drei Jahre ausgelegte Initiative, die für alle von der Strafkammer verfolgten Unternehmensstrafsachen gilt und bis zum 15. März 2023 in Kraft treten wird. Das Programm folgt einem Versprechen der stellvertretenden US-Justizministerin Lisa Monaco aus dem September 2022, weitere Leitlinien für Unternehmen bereitzustellen, um Anreize für eine bessere Einhaltung der Rechtsvorschriften durch ihre Vergütungssysteme zu schaffen. Hierbei ging die stellvertretende Justizministerin insbesondere auf die Rückforderung von Vergütungen ein (siehe unseren Blogbeitrag vom 23. September 2022).

Das Pilotprogramm wird im Rahmen der überarbeiteten DOJ Guidance on Evaluation of Corporate Compliance Programs (CMS-Leitlinien) umgesetzt und zielt darauf ab, dass Unternehmen Vergütungssysteme entwickeln, die „zum Vorhandensein eines effektiven Compliance-Programms beitragen„. In Ihrer Rede auf der ABA erklärte Lisa Monaco, dass das DOJ mit seinen jüngsten Änderungen beabsichtigt, „die Auswirkungen des Fehlverhaltens von Unternehmen den unmittelbar Verantwortlichen anzulasten, anstatt den Aktionären, die häufig keine Rolle für das Fehlverhalten spielen.“ Das Pilotprogramm des DOJ zu Vergütungsanreizen und Clawbacks umfasst zwei Komponenten:

1. Compliance-gesteuerte Vergütungs- und Bonussysteme

Nach einer Einigung mit der Strafverfolgungsbehörde (sog. corporate resolution) ist das jeweilige Unternehmen verpflichtet, Compliance-Kriterien in seinem Vergütungs- und Bonussystem einzuführen und dem DOJ während der Laufzeit des behördlichen Verfahrens jährlich über die Fortschritte bei der Umsetzung zu berichten. Bei bestehenden Vergütungssystemen können die Staatsanwaltschaften prüfen, inwieweit diese bereits Anreize zur Compliance setzen. In diesem Zusammenhang wird geprüft, ob es Regelungen gibt, die es dem Unternehmen ermöglichen, Teile der Vergütung auszusetzen oder zurückzufordern, wenn ein Verhalten gegen die unternehmenseigenen Werte und Richtlinien verstößt.

In seinen geänderten CMS-Leitlinien benennt das DOJ bestimmte Faktoren, die für ein angemessenes Vergütungssystem wesentlich sind: Vergütungsstrukturen müssen einerseits klar und effektiv finanzielle Sanktionen für Fehlverhalten vorsehen und andererseits positive Anreize für die Verbesserung und Entwicklung eines Compliance-Programms oder ethischer Unternehmensführung bieten.

In ihrer Rede ging Lisa Monaco insbesondere auf die jüngste strafrechtliche Verfolgung der Danske Bank vom Dezember 2022 ein. Als Teil ihrer Einigung mit dem DOJ hat die Bank zugestimmt, ihr Leistungsbewertungs- und Vergütungssystem so zu überarbeiten, sodass „Führungskräfte der Danske Bank, die bei der Compliance schlecht abschneiden, auch keinen Bonus erhalten“. Es ist zu erwarten, dass der Fall der Danske Bank als Vorbild für künftige Strafverfolgungsmaßnahmen dienen wird. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre Vergütungsregelungen für (leitende) Angestellte anhand der folgenden Fragen gemäß den geänderten CMS-Leitlinien zu überprüfen:

  • Verfügt das Unternehmen über Strategien oder Verfahren, um Vergütungen zurückzufordern, die ohne ein direkt oder indirekt zurechenbares Fehlverhalten der Führungskraft oder des Mitarbeiters nicht gezahlt worden wären?
  • Welche Richtlinien und Prozesse nutzt das Unternehmen, um die Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass sie nicht von möglichen Erträgen eines Fehlverhaltens profitieren werden?
  • Welche Rolle spielt die Compliance-Funktion bei der Gestaltung und Gewährung finanzieller Anreize auf den höheren Führungsebenen?
  • Welcher Prozentsatz der Vergütung von Führungskräften ist so strukturiert, dass ethische Geschäftsziele nachhaltig gefördert werden?

Bei der Bewertung der Wirksamkeit von Compliance-Programmen in Unternehmen werden die US-Staatsanwälte weit über die bloße Gestaltung von Anreizsystemen hinausgehen und auch prüfen, inwieweit diese in der Praxis tatsächlich funktionieren. Gemäß den CMS-Leitlinien werden die US-Staatsanwälte ein Unternehmen auffordern, konkrete Beispiele für Maßnahmen vorzulegen, die aufgrund von Compliance- und Ethiküberlegungen ergriffen wurden (z.B. Verweigerung von Beförderungen oder Mitarbeiterauszeichnungen, Rückforderung von Vergütungen oder Streichung von aufgeschobenen Vergütungen). Bloße Lippenbekenntnisse und Konzepte auf dem Papier werden die Erwartungen des DoJ hier nicht erfüllen.

2. Bußgeldreduzierungen

Als zweites Novum verspricht die Strafabteilung des DOJ Bußgeldreduzierungen, sollte das Unternehmen die Entschädigung von verantwortlichen Mitarbeitern und Personen mit Aufsichtsbefugnissen über Mitarbeiter oder Geschäftsbereiche, die an dem Fehlverhalten beteiligt waren, zurückzufordern. Ein Unternehmen kann sich nur dann für diese spezielle Art der Bußgeldreduzierung qualifizieren, wenn es vollständig mit den Ermittlungen des DOJ kooperiert und das Fehlverhalten rechtzeitig und angemessen behoben hat. Dabei wird auf die kürzlich aktualisierte Corporate Enforcement Policy verwiesen (siehe unseren Blogbeitrag vom 10. Februar 2023). Im Rahmen des Pilotprogramms ist das Unternehmen zunächst verpflichtet, das volle Bußgeld zu entrichten. Es besteht jedoch die Möglichkeit, das Bußgeld um den Betrag zu reduzieren, den das Unternehmen von seinen verantwortlichen Führungskräften und Mitarbeitern während des Bußgeldverfahrens zurückfordert. Außerdem kann das Unternehmen zusätzlich zu der reduzierten Geldbuße jede Entschädigung einbehalten, die es während des Verfahrenszeitraums erfolgreich zurückfordert.

In seiner Rede verwies Polite auch auf die Schwierigkeiten, auf die Unternehmen bei der Rückforderung von Vergütungen stoßen könnten. Solche Schwierigkeiten können insbesondere in Fällen auftreten, in denen die Vergütung von Mitarbeitern außerhalb der USA zurückgefordert werden soll. Kenneth Polite wies darauf hin, dass Unternehmen die potenziellen Kosten für die Aktionäre und die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits zur Rückforderung von Vergütungen unter Berücksichtigung der geltenden (lokalen) Gesetze beurteilen und gegen den Wert einer Rückforderung abwägen sollten. Wenn der in gutem Glauben erfolgte Rückforderungsversuch misslingt, liegt es im Ermessen der Staatsanwaltschaft, eine Reduzierung von bis zu 25 % des zurückgeforderten Vergütungsbetrags zu gewähren. Dem Pilotprogramm zufolge können solche Reduzierungen gerechtfertigt sein, wenn einem Unternehmen hohe Prozesskosten zum Nachteil der Aktionäre entstehen würden oder wenn es die Entschädigung wahrscheinlich kurz nach dem Ende des behördlichen Verfahrens zurückerhalten würde. Was das DOJ als „in gutem Glauben“ versuchte Wiedererlangung der Entschädigung ansehen wird, bleibt unklar und sollte während des dreijährigen Pilotzeitraums genau verfolgt werden.

Die neuen Leitlinien des DOJ zu Messaging-Diensten

Neben dem neuen Pilotprogramm kündigte Kenneth Polite weitere wichtige Änderungen der CMS-Leitlinien an, die den Umgang von Unternehmen mit privaten Endgeräten und verschiedenen Kommunikationsplattformen für kurzlebige bzw. selbstlöschende Nachrichten betreffen. Der neue Leitfaden legt die Erwartungen an Unternehmen fest, wie sie die Nutzung von Messaging-Diensten von Drittanbietern und persönlichen Geräten handhaben sollen, und hebt deren Umsetzung auf die Bewertung des Compliance-Programms hervor. Die neue Leitlinie reagiert auf die zunehmende Verlagerung unternehmensbezogener Kommunikation von E-Mails hin zu anderen Messengern (wie WhatsApp oder Snapchat), welche die allgemeine Datenspeicherung sowie den Datenzugriff erschweren. Laut den überarbeiteten CMS-Leitlinien erwartet das DOJ, dass sich Unternehmen an diese neuen „Realitäten des modernen Lebens anpassen und ihre Richtlinien und Prozesse entsprechend aktualisieren“. Auf der ABA erklärte Kenneth Polite, dass die Richtlinien für Messaging-Dienste von Drittanbietern „auf das Risikoprofil und die spezifischen Geschäftsbedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sein sollten und sicherstellen sollen, dass […] geschäftsrelevante elektronische Daten und Kommunikationen aufbewahrt und abgerufen werden können“. In Anbetracht dieser Änderungen sollten Unternehmen ihre Richtlinien für die Nutzung von Messaging-Anwendungen von Drittanbietern unter Berücksichtigung ihres spezifischen Risikoprofils überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Unternehmen sollten sicherstellen, dass die entsprechende Kommunikation gespeichert wird und im Krisenfall von den Behörden abgerufen werden kann, wobei die geltenden Datenschutzbestimmungen und lokalen Gesetze zu beachten sind.

Daher müssen Unternehmen ihre Kommunikations- und Datenspeicherrichtlinien und -prozesse überprüfen und gegebenenfalls überarbeiten. Außerdem müssen sie sicherstellen, dass angemessene Schulungen, Beratungen und Kontrollen eingesetzt werden, um die Einhaltung dieser Prozesse in der Praxis zu gewährleisten. Eine negative Antwort auf die Anfragen der Staatsanwaltschaft nach entsprechenden Kommunikationsdaten/Informationen wird der Bewertung der Kooperationsbemühungen des Unternehmens zweifellos schaden.

Überarbeitete Leitlinien für die Auswahl von Monitoren in Strafsachen

Schließlich kündigte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Kenneth Polite ein überarbeitetes Memorandum zur Auswahl von Monitoren in Strafsachen an, dass auf dem „Benczkowski-Memorandum“ aufbaut und insbesondere das Thema Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration betont. Das überarbeitete Memorandum zielt darauf ab, für mehr Transparenz bei der Auswahl der DoJ-Monitore zu sorgen. Außerdem werden die Verpflichtungen im Zusammenhang mit Interessenkonflikten, die mit der Tätigkeit als ernannter Monitor oder als Teil eines Monitor-Teams verbunden sind, formuliert und klargestellt. In diesem Zusammenhang hat das DoJ die „cooling-off“ Periode von zwei auf drei Jahre verlängert.

Fazit

Das neue Pilotprogramm führt compliance-basierte Vergütungs- und Bonusregelungen als zusätzliche Messgrößen für die Bewertung der Wirksamkeit von Compliance-Programmen in Unternehmen ein. Insgesamt ist dies eine konsequente Fortsetzung des sichtbaren Fokus des DoJ auf die Unternehmenskultur (siehe unseren Blogbeitrag vom 11. November 2021). Die Tatsache, dass die Art und Ausgestaltung eines Vergütungssystems einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmenskultur haben, ist nicht neu. Neu ist jedoch die Deutlichkeit, mit der das US-Justizministerium die Unternehmen nun auffordert, diesen Hebel proaktiv einzusetzen, um eine Kultur der Ethik, Integrität und Compliance zu fördern und zu erleichtern. Und zwar nicht nur durch die Einbehaltung oder Rückforderung variabler Vergütungsbestandteile im Falle von Fehlverhalten, sondern auch durch die Gewährung besonderer Anerkennung und Belohnungen für diejenigen, die die Compliance-Kultur durch ihre herausragende Unterstützung oder sichtbare Vorbildfunktion aktiv gestalten.

Im Zusammenhang mit ESG hat die Diskussion über angemessene Vergütungskomponenten und Leistungskennzahlen auch in Deutschland wieder an Dynamik gewonnen. Auf der Suche nach einem System für die nachhaltige Vergütung von Vorstandsmitgliedern und Führungskräften sind funktionierende Compliance-Clawback-Klauseln unverzichtbar. Mit der Forderung nach nachhaltigen und konkret Compliance-incentivierten Vergütungssystemen als Grundvoraussetzung für ein wirksames Compliance-Programm hat das DoJ jedoch nun sehr hohe Erwartungen gesteckt, die viele internationale Unternehmen heute (noch) nicht erfüllen.

Unsere langjährige Erfahrung im Umgang mit US-Strafverfolgungsbehörden und deren Erwartungen an Compliance-Management-Systeme geben wir gerne an Sie weiter. Wir unterstützen regelmäßig Unternehmen bei der erstmaligen Einführung, der laufenden Überprüfung und Weiterentwicklung ihrer Compliance-Governance und -Organisationen, ihrer Compliance-Programme und der damit verbundenen internen Kontrollsysteme.

Gerne können Sie uns jederzeit ansprechen.