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23.11.2022

Urteil des EuGH: EU-Geldwäscherichtlinie ist teilweise rechtswidrig

Nach einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 22. November 2022 ist die Bestimmung in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie, wonach Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von in der EU ansässigen Gesellschaften in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind, ungültig. Nach Auffassung des EuGH ist der damit ver­bun­de­ne Ein­griff in die durch die der EU-Grundrechte-Charta ge­währ­leis­te­ten Rech­te weder auf das ab­so­lut Er­for­der­li­che be­schränkt noch ist er verhältnismäßig im Hinblick auf das verfolgte Ziel.

Ausgangslage: Erfolglose Anträge und Gerichtsverfahren in Luxemburg

Vorausgegangen sind der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2022 (Az. C-37/20, C-601/20) zwei Rechtsstreitigkeiten in Luxemburg im Zusammenhang mit der Beschränkung von im Luxemburger Register der wirtschaftlichen Eigentümer (Registre des bénéficiaires effectifs (RBE)) enthaltenen Angaben.

Ebenso wie in Deutschland wurde in Luxemburg – in Umsetzung der der 4. EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/849) im Jahr 2019 – bereits 2017 ein Register für wirtschaftliches Eigentum eingerichtet, in dem Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Einrichtungen eingetragen und aufbewahrt werden müssen. Ein Teil dieser Informationen ist – nicht zuletzt über das Internet – der Öffentlichkeit zugänglich. Allerdings sieht das entsprechende Gesetz vor, dass ein wirtschaftlicher Eigentümer beim Luxembourg Business Registers (LBR), dem Verwalter des RBE, beantragen kann, den Zugang zu diesen Informationen unter bestimmten Voraussetzungen zu beschränken. Auch diese Möglichkeit ist in den EU-Richtlinien bereits vorgesehen; auch in Deutschland wurde von dieser Möglichkeit bei der Umsetzung der Richtlinie Gebrauch gemacht.

Die Kläger, die sich aufgrund der öffentlichen Verfügbarkeit der im Register enthaltenen Informationen bestimmten Risiken ausgesetzt sahen, insbesondere der Gefahr von Erpressungen und Entführungen, hatten unter Berufung auf diese Vorschrift vergeblich beim RBE beantragt, den Zugang zu den sie betreffenden Informationen zu beschränken.

In den nachfolgenden Gerichtsverfahren machten die Kläger im Wesentlichen geltend, dass (i) Gewährung eines öffentlichen Zugangs zur Identität und zu den persönlichen Daten der wirtschaftlichen Eigentümer das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, die in den Art. 7 bzw. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechte-Charta) verankert seien, verletze, (ii) der Zugang der Öffentlichkeit zu den im RBE enthaltenen personenbezogenen Daten einen Verstoß gegen mehrere Bestimmungen der DSGVO darstelle, und (iii) dass die Verbreitung solcher Informationen ein unverhältnismäßiges Risiko einer Beeinträchtigung der Grundrechte mit sich bringen könne.

Da das Luxemburger Bezirksgericht ebenfalls der Ansicht war, dass die Offenlegung dieser Informationen die Gefahr eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen wirtschaftlichen Eigentümer mit sich bringen kann, setzte es die Verfahren aus und legte dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Auslegung bestimmter Bestimmungen der EU-Geldwäscherichtlinie und zu deren Gültigkeit im Licht der EU-Grundrechte-Charta zur Vorabentscheidung vor.

EuGH erklärt Bestimmung in 5. EU-Geldwäscherichtlinie für ungültig

Der EuGH stellte daraufhin in seinem Urteil fest, dass die Bestimmung in Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der 5. EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 208/843), wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer für „alle Mitglieder der Öffentlichkeit“ zugänglich sind, im Hinblick auf die EU-Grundrechte-Charta ungültig ist.

Seiner Ansicht nach stellt der Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens (Artikel 7) und auf den Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8) dar, da die offengelegten Informationen es nämlich einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen ermöglichen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers zu informieren. Zudem würden die potenziellen Folgen für die betroffenen Personen, die sich für die betroffenen Personen aus einem möglichen Missbrauch ihrer personenbezogenen Daten ergeben, dadurch verschärft, dass diese Daten, sobald sie öffentlich zugänglich sind, nicht nur frei eingesehen, sondern auch aufbewahrt und weitergegeben werden können.

Keine Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe

Obwohl der Gesetzgeber nach Ansicht des EuGH mit der streitigen Maßnahme ein Ziel von allgemeinem Interesse verfolge, das selbst schwerwiegende Eingriffe in die betreffenden  Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta rechtfertigen könne, und der Zugang der Allgemeinheit zu Informationen über wirtschaftliche Eigentümer geeignet sei, zur Erreichung dieses Ziels beizutragen, stellte der Gerichtshof jedoch fest, dass der mit dieser Maßnahme verbundene Eingriff weder auf das unbedingt Notwendige beschränkt sei noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehe.

Auswirkungen des Urteils

Das Urteil des EuGH hat zunächst unmittelbar zur Folge, dass Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der 5. Geldwäscherichtlinie (EU) ungültig ist und nicht mehr angewendet werden kann. Aufgrund des Urteils erklärte das Luxemburger Justizministerium noch am Abend des 22. November 2022 per Pressemitteilung, dass „der Zugang zur Website des Registers der wirtschaftlichen Eigentümer über das Internet vorübergehend ausgesetzt“ wird.

Welche Folgen das Urteil für das deutsche Transparenzregister haben wird, es derzeit noch nicht absehbar. Seit 2019 sieht die Neufassung des deutschen Geldwäschegesetzes in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG ebenfalls vor, dass eine Einsichtnahme des Transparenzregister durch jedermann möglich ist. Bis dahin konnten lediglich Behörden Einsicht nehmen und diejenigen, die nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet sind, die Identität ihrer Kunden zu ermitteln. Weiterhin konnten Personen oder Organisationen das Transparenzregister einsehen, die ein „berechtigtes Interesse“ vorzuweisen hatten, wie etwa Fachjournalisten und Nichtregierungsorganisationen, wenn sie auf die Bekämpfung von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung spezialisiert waren.

Sollte die registerführende Stelle in Deutschland (Bundesanzeiger Verlag GmbH) nicht ähnlich reagieren und den Zugang der Öffentlichkeit zum Transparenzregister bis zu einer gesetzlichen Neuregelung aussetzen, empfiehlt es sich, dass wirtschaftlich Berechtigte einen Antrag auf Beschränkung der Einsichtnahme nach § 23 Abs. 2 S. 1 GwG stellen.

 

Die Pressemitteilung des EuGH ist hier und das Urteil ist hier zu finden.