Aktuelles von Pohlmann & Company

15.03.2022

Sustainable Corporate Governance

Keine Frage mehr des OB, sondern des WIE

Im Januar hat die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex einen aktualisierten Entwurf des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK-E 2022) beschlossen und das Konsultationsverfahren begonnen. Bis zum 11. März 2022 konnte sich die interessierte Öffentlichkeit an den Konsultationen beteiligen.

Anlass für die erneute Kodex-Reform sind die wachsende Bedeutung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsbelange und die Ausweitung der diese betreffenden Berichtspflichten durch die angekündigte EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung („Corporate Sustainability Reporting Directive“ – CSRD) sowie die jüngsten Änderungen des Aktiengesetzes durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II).

Feste Verankerung von Nachhaltigkeitsbelangen in der Unternehmensleitung

Mit den geplanten Änderungen des DCGK soll die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen ausdrücklich auch auf Nachhaltigkeitsbelange erweitert werden. Mit der Empfehlung A.1 DCGK-E 2022 wird dem Vorstand aufgegeben, zukünftig auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken systematisch zu identifizieren und zu bewerten. Unternehmensstrategie soll die ausgewogene Umsetzung aller wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ziele des Unternehmens sein. Die Unternehmensplanung soll neben finanziellen explizit nachhaltigkeitsbezogene Ziele enthalten.

Mit Blick auf die mit dem FISG neu eingeführte gesetzliche Pflicht börsennotierter Unternehmen zur Errichtung eines wirksamen internen Kontroll- (IKS) und Risikomanagementsystems (RMS) (§ 91 Abs. 3 AktG) sollen diese Systeme nach der Empfehlung A.3 DCGK-E 2022 nicht nur auf finanzielle, sondern auch auf nachhaltigkeitsbezogene Belange ausgerichtet sein. Erfreulicherweise soll in diesem Kontext in Grundsatz 4 DCGK-E 2022 zudem ganz allgemein klargestellt werden, dass IKS und RMS ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System (CMS) umfassen. Auf die fehlende Deutlichkeit des Gesetzgebers in Sachen CMS hatten wir bereits in unserem Blogbeitrag vom 23. Juni 2021 hingewiesen. Die im DCGK-E 2022 zum Ausdruck kommende Auffassung wird hoffentlich schnell auch die Gesetzesauslegung zu § 91 Abs. 3 AktG prägen.

Erforderliche Nachhaltigkeitsexpertise in der Unternehmensüberwachung

Auf Aufsichtsratsmitglieder kommen mit den geplanten Änderungen ebenfalls neue Anforderungen zu. Das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats soll zukünftig auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen (C.1 DCGK-E 2022). Vor dem Hintergrund der durch den CSRD-Entwurf vom 21. April 2021 vorgesehenen Erweiterung der Überwachungsaufgabe des Prüfungsausschusses um die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll nach der Empfehlung D.4 DCGK-E 2022 eine entsprechend erweiterte Sachkunde des Prüfungsausschussvorsitzenden erforderlich sein.

DCGK-E 2022 als konsequente Verschriftlichung bestehender Notwendigkeiten

Die mit dem DCGK-E 2022 geplanten Ergänzungen zur Nachhaltigkeit sind im Hinblick auf die bereits für das Berichtsjahr 2021 zu beachtenden Verpflichtungen aus Taxonomie-VO und Offenlegungs-VO konsequent. Mit Verabschiedung der CSRD voraussichtlich noch in diesem Jahr und sich anschließender Umsetzung in nationales Recht werden die bereits bestehenden nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten in naher Zukunft weiter ausgebaut. Dabei sieht der CSRD-Entwurf neben verbindlichen europäischen Berichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards) insbesondere auch eine deutliche Ausweitung des Kreises zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteter Unternehmen vor. Die European Sustainability Reporting Standards sollen verbindliche Vorgaben für Berichtsinhalte zu den in der Taxonomie-VO bislang vorgegebenen Umweltzielen, gesellschaftlichen Aspekten wie Gleichstellung oder Achtung der Menschenrechte sowie Governance-Aspekten machen, u.a. im Hinblick auf die Rolle der Leistungs- und Aufsichtsorgane, die Unternehmensethik und -kultur, IKS und RMS.

Zwar findet der DCGK und damit auch die vorgeschlagene Neufassung per se nur auf börsennotierte Unternehmen Anwendung, die überdies von den Empfehlungen mit entsprechender Begründung durchaus auch abweichen können („comply or explain“). Allerdings wird sich spätestens mit Umsetzung der CSRD in deutsches Recht mittelfristig auch ein erheblicher Teil der nicht-kapitalmarktorientierten deutschen Unternehmen mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und deren Umsetzung auseinanderzusetzen haben. Der DCGK-E 2022 nimmt hier Teile eines möglicherweise erforderlichen Transformationsprozesses vorweg und kann somit sicher als hilfreicher Corporate Governance Leitfaden dienen.

Ist Ihr Unternehmen vorbereitet?

Unternehmen sind aufgefordert, ihre Strategien und Unternehmensprozesse in verschiedenste Richtungen auf die für sie relevanten Nachhaltigkeitsbelange auszurichten. So müssen sie sich zunehmend gegenüber Investoren und Finanzierern rechtfertigen. Im Falle halbherziger und unzureichender CO2-Strategien drohen nicht nur empfindliche Reputationsschäden, sondern vermehrt aufwendige Umwelt- und Klimaschutzklagen. In den USA hat die Securities and Exchange Commmission (SEC) jüngst eine „Climate and ESG Enforcement Task Force“ ins Leben gerufen und Untersuchungen sowie Strafvollstreckungen zu unternehmerischem Fehlverhalten im Zusammenhang mit ESG-Themen und insbesondere fehlerhafter Berichterstattung zu Klimarisiken zu einem ihrer obersten Ziele erklärt. Die BaFin hat ESG-Risiken schon seit Längerem in ihre Aufsichtsschwerpunkte aufgenommen und fordert in ihrem aktuellen „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ von den ihrer Aufsicht unterliegenden Unternehmen eine konkrete strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken. Unternehmen müssen sich insoweit umgehend die Frage stellen, wie sie im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeitsbelange aufgestellt sind und welchen Transformationsprozess sie einleiten und nach außen kommunizieren müssen.

Vorstände und Aufsichtsräte sind dabei gleichermaßen gehalten, sich und ihr Unternehmen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und die für das Unternehmen bedeutenden und umfassend verwobenen Nachhaltigkeitsfragen eingehend zu analysieren. Aufsichtsratsgremien sollten dabei aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf die geforderten nachhaltigkeitsbezogenen Fachkenntnisse und den zeitlichen Rahmen für entsprechende Wahlvorschläge an die Hauptversammlung im Auge behalten. Allein vor dem Hintergrund der Komplexität dieser Themen und der rechtlichen, wirtschaftlichen und praktischen Abhängigkeiten empfiehlt es sich, eine entsprechende Expertise auch im Aufsichtsrat dringend sicherzustellen.

Wollen Unternehmensleitung und -aufsicht der Fülle an bereits in Kraft getretenen und geplanten Einzelregulierungen gerecht werden, verbieten sich Insellösungen gleichermaßen wie ausschließlich reaktives Verhalten. Vielmehr bedarf es eines vorausschauenden konsolidierten Ansatzes in interdisziplinären, funktionsübergreifenden Teams. Die mit dem DCGK-E 2022 empfohlene Einbeziehung nachhaltigkeitsbezogener Belange und Risiken in RMS, IKS und CMS kann bei richtiger Umsetzung hierfür die ideale Grundlage bieten.

Bei Fragen oder Überlegungen in diesem Kontext stehen wir Ihnen hier von Anfang an als auch international erfahrene Sparring-Partner zur Verfügung. Sprechen Sie uns jederzeit gerne an!

 

Weiterführende Links: