Aktuelles von Pohlmann & Company

11.05.2023

Beschlossene Sache: Bundestag und Bundesrat verabschieden Hinweisgeberschutzgesetz

Der Bundestag hat am 11. Mai 2023 den Kompromiss des Vermittlungsausschusses zum Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG“) angenommen und das Gesetz in seiner geänderten Fassung beschlossen. Einen Tag später, am 12. Mai 2023, hat auch der Bundesrat einstimmig dem Gesetz zugestimmt. Erst wenige Tage zuvor wurde der Kompromiss im Vermittlungsausschuss erzielt (Link zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 09.05.2023). Damit tritt der noch im Februar an der Zustimmung des Bundesrates gescheiterte Gesetzentwurf (vgl. unser Blogbeitrag vom 13.02.2023) mit wenigen Änderungen wohl schon Mitte Juni 2023 in Kraft.

Damit verbleibt Unternehmen nur noch wenig Zeit, den im Gesetz auferlegten Pflichten nachzukommen, insbesondere interne Meldestellen einzurichten und ein gesetzeskonformes Hinweisgebersystem zu implementieren. Lediglich Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten bleibt unverändert bis Dezember 2023 Zeit, eine interne Meldestelle einzurichten.

Inhaltlich enthält das Gesetz die nachfolgend dargestellten Änderungen der Gesetzesvorlage, die am 16. Dezember 2022 Gegenstand der Sitzung des Bundestags war:

Keine Pflichten bei anonymer Meldung

Hatte der vorherige Gesetzentwurf in seiner geänderten Fassung noch vorgesehen, dass anonym abgegebene Meldungen verpflichtend bearbeitet werden müssen, sieht das Gesetz weder für interne noch für externe Meldestellen eine solche Pflicht vor. Der Vermittlungsausschuss sieht davon ab, den Unternehmen eine Pflicht zur Ermöglichung der anonymen Meldeabgabe sowie eine Pflicht zur Bearbeitung anonym abgegebener Meldung aufzuerlegen. Es bleibt bei der eingangs im Gesetzentwurf aufgenommenen Formulierung, dass die Meldestellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten „sollten“, ohne dass eine Verpflichtung besteht, die Meldekanäle so zu gestalten, dass eine anonyme Abgabe ermöglicht wird. Damit fallen die befürchteten Zusatzkosten und der Mehraufwand gerade für kleine und mittlere Unternehmen weg.

Bevorzugung interner Meldeverfahren

Sofern intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind, sollten hinweisgebende Personen ihre Meldung bevorzugt an eine interne Meldestelle ihres Beschäftigungsgebers abgeben. Diese „Sollte“-Vorschrift zur Bevorzugung interner Meldeverfahren wird in Ergänzung zu dem unverändert fortbestehenden Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung normiert.

Derartige Tendenzen zur Priorisierung interner Meldeverfahren waren bereits im Entwurf aus Dezember 2022 erkennbar: So waren Unternehmen angehalten, Anreize dafür zu schaffen, dass sich Hinweisgebende zunächst an die interne Meldestelle wenden, weshalb hierfür klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitgestellt werden sollten. Gleichzeitig sollte gerade die Gleichstellung von internem und externem Meldeverfahren Unternehmen motivieren, ihre internen Meldewege selbständig zu optimieren und eine gute Speak-up-Kultur zu fördern. Im Übrigen werden Unternehmen nach wie vor ein ureigenes Interesse daran haben, ihre Meldeverfahren so auszugestalten, dass sich hinweisgebende Personen stets zuerst an diese wenden.

Aufbewahrungsfrist

Für Diskussionen, vor allem aber für Umsetzungsschwierigkeiten sorgte die in § 11 Absatz 5 HinSchG geregelte Aufbewahrungsfrist von Meldungen, die zunächst 2 Jahre und im letzten Entwurf 3 Jahre nach Abschluss des Verfahrens betrug. Nunmehr soll die Aufbewahrungsfrist verlängert werden können, um die Anforderungen auch aus anderen Gesetzen zu erfüllen, soweit dies erforderlich und verhältnismäßig ist. Damit soll die Aufbewahrungsfrist nach dem HinSchG ausdrücklich in Einklang gebracht werden mit anderen gesetzlichen Vorgaben zur Dokumentation, Aufbewahrung und Löschung. Vom Gesetzgeber weiterhin unbeantwortet bleibt die in der Praxis relevante und umstrittene Frage nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens im internen Meldeverfahren, der den Beginn der Aufbewahrungsfrist darstellt.

 Begrenzte Entschädigung und Senkung des maximalen Bußgeldes

Der Gesetzentwurf aus Dezember 2022 hatte erstmals vorgesehen, dass immaterielle Schäden hinweisgebender Personen kompensiert werden müssen. Dies soll nun entfallen. Dagegen wird der Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden unverändert beibehalten. Daneben wird die Obergrenze der Unternehmensgeldbuße bei Verstößen gegen das Hinweisgeberschutzgesetz von 100.000 EUR auf 50.000 EUR gesenkt.

 Klarstellung des Anwendungsbereichs

Lediglich klarstellenden Charakter hat die Änderung des Gesetzeswortlauts in § 3 zum Anwendungsbereich des HinSchG. Danach fallen nur solche Verstöße unter das HinSchG, die bei dem Beschäftigungsgeber, bei dem die hinweisgebende Person tätig ist oder war, oder bei einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand, begangen wurden oder erfolgen werden.

Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers

Die im Gesetz bislang geregelte und ebenfalls diskutierte Beweislastumkehr zugunsten der hinweisgebenden Person, dass eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit eine Repressalie ist, soll unverändert Eingang in das zu verkündende Gesetz finden. Die Vermutung, dass sie diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung erlitten hat, soll allerdings nur dann bestehen, wenn die hinweisgebende Person dies auch selbst geltend macht. Diese Pflicht zur Geltendmachung der kausalen Verknüpfung steht im Einklang mit der EU-Richtlinie. Der Gesetzentwurf war hierüber hinausgegangen und hatte zugunsten hinweisgebender Person eine doppelte gesetzliche Vermutung vorgesehen. Begründet wurde dies mit dem umfassenden Schutz der hinweisgebenden Person und der erleichterten Beweisführung. Gerade der kausale Zusammenhang zwischen Meldung und Benachteiligung sei nicht immer einfach nachzuweisen, nicht zuletzt deshalb, weil derjenigen Person, die eine benachteiligende Maßnahmen ergriffen hat, die Informationen und Unterlagen zur Verfügung stehen, die als Grundlage für die Maßnahme dienten. Dieser Informationsvorsprung sollte durch die Vermutung zugunsten der hinweisgebenden Person ausgeglichen werden, wovon nun abgesehen wurde.

Keine Änderung der Konzernlösung

Was die lang ersehnte Frage nach der sog. Konzernlösung anbelangt, bleibt der deutsche Gesetzgeber bei seiner zuvor vertretenen Linie und ermöglicht weiterhin eine zentrale, konzernweite Ausgestaltung der internen Meldestelle. Dies war nicht anders zu erwarten, da dieser Aspekt nicht Gegenstand der Diskussionen im Bundesrat war und nicht zur Versagung der Zustimmung im Februar geführt hat.

 

Mit unserer Expertise in den Bereichen Hinweisgeberschutz und interne Untersuchungen unterstützen wir sie gerne bei Aufbau, Konzeptionierung, Umsetzung oder Verbesserung Ihrer Hinweisgebersysteme im nationalen und internationalen Kontext. Neben der Erfüllung künftiger, sich wandelnder gesetzlicher Vorgaben beraten wir Sie auch gerne darin, eine für Ihr Unternehmen geeignete und effektive Lösung zu finden.