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07.03.2024

Kooperation zahlt sich aus – Strafnachlass für SAP

SAP erhält Strafnachlass für die umfangreiche Zusammenarbeit mit den US-Behörden

Das deutsche Softwareunternehmen SAP SE einigte sich im Januar 2024 mit dem US-Justizministerium und der US-Börsenaufsicht, um die behördlichen Ermittlungen gegen das Unternehmen wegen Verstößen gegen den Foreign Corrupt Practices Act beizulegen. Der Fall zeigt, wann Unternehmen ihre Kooperation bei der Untersuchung und Aufarbeitung solcher Verstöße zugutekommt und wie sie vom Pilotprogramm des DOJ zu „Compensation Incentives and Clawbacks“ profitieren können.

Hintergrund des Deferred Prosecution Agreement

Nach umfangreichen Untersuchungen wegen Verstößen gegen den Foreign Corrupt Practices Act („FCPA“) schloss SAP mit Sitz in Walldorf (Deutschland) am 10. Januar 2024 mit dem US-Justizministerium (Department of Justice – „DOJ“) eine dreijährige Vereinbarung über den Aufschub der Strafverfolgung (Deferred Prosecution Agreement – „DPA“). In diesem DPA hat SAP die gegen das Unternehmen gerichteten Vorwürfe anerkannt und einer Strafzahlung in Höhe von insgesamt rund 220 Mio. US-Dollar sowie der Einziehung von weiteren 103 Mio. US-Dollar zugestimmt. Zusätzlich hat sich SAP im DPA verpflichtet, weiterhin bei allen laufenden Ermittlungen mit den Behörden zu kooperieren.

Vorgeworfen wurden dem börsennotierten Softwareunternehmen insbesondere Zahlungen von Bestechungsgeldern an Regierungsbeamte in Südafrika, Indonesien und anderen Ländern zwischen 2013 und 2018. Parallel ermittelte die US Securities and Exchange Commission („SEC“) gegen SAP wegen Verstößen gegen Vorschriften des Securities Exchange Act im Zusammenhang mit Bestechungspraktiken in Südafrika, Malawi, Kenia, Tansania, Ghana und Indonesien sowie wegen unzulässiger Geschenke an Regierungsbeamte in Aserbaidschan. SAP einigte sich zwischenzeitlich mit der SEC auf die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 85 Mio. US-Dollar, die auf die Strafzahlung des DOJ angerechnet werden soll. Auch die indessen an südafrikanische Behörden geleisteten Strafzahlungen sollen angerechnet werden.

Rückforderung von Vergütung und umfangreiche Kooperation

Der Fall zeigt, dass sich insbesondere rechtzeitige Abhilfemaßnahmen von Unternehmen, denen FCPA-Verstöße vorgeworfen werden, auszahlen: Unter Anwendung des im März 2023 eingeführten Pilotprograms zu „Compensation Incentives and Clawbacks“ (siehe unser Blogbeitrag vom 15. März 2023) rechneten die Behörden knapp 110.000 US-Dollar für Vergütungsanreize an, die SAP von Mitarbeitenden einbehalten bzw. zurückgefordert hatte, die an dem vorgeworfenen Fehlverhalten beteiligt gewesen waren oder die vom Fehlverhalten ihrer Mitarbeitenden wussten und dieses bewusst ignorierten. Noch beträchtlicher als die Anrechnung wirkt der Strafnachlass, den das DOJ dem deutschen Unternehmen gewährte: Wegen zügiger und umfangreicher Kooperation mit den Behörden gewährte das DOJ SAP einen Nachlass von 40% auf die Geldbuße. Dabei honorierte das DOJ insbesondere, dass SAP die US-Behörde regelmäßig und umfangreich über die Ergebnisse der eigenen internen Ermittlung informierte, relevante Dokumente vorlegte, Mitarbeitende für Befragungen zur Verfügung stellte, komplexe Finanzinformationen analysierte, fremdsprachige Dokumente übersetzte und frühzeitig Daten von Mobiltelefonen – insbesondere solche aus Messaging-Diensten – sicherte. Gleichwohl betonte das DOJ, keinen höheren Strafnachlass gewähren zu können, da SAP die Verstöße erst nach entsprechenden Medienberichten gemeldet hatte.

Pilotprogramm des DOJ schafft Anreize

Der Fall SAP belegt nicht nur die internationalen Bemühungen US-amerikanischer Behörden bei der Korruptionsbekämpfung und die koordinierte Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden, sondern verdeutlicht zugleich auch die Anreize für Unternehmen, bei behördlichen Ermittlungen zu kooperieren und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, was letztlich die Höhe der Strafe reduzieren kann. Wie bereits im Fall des US-amerikanischen Chemiekonzerns Albemarle, in dem wegen ebenso umfangreicher Kooperationen und Abhilfebemühungen ein Nachlass von 45% auf die Geldbuße gewährt wurde, zeigt das DOJ auch im Fall von SAP, dass das Pilotprogramm zu „Compensation Incentives and Clawbacks“ in der Behördenpraxis tatsächlich zur Anwendung kommt und dass Unternehmen, denen FCPA-Verstöße vorgeworfen werden, davon weitreichend profitieren können.

In der Sache weite Anwendung, in der Höhe überschaubare Auswirkung

Wie aufgezeigt berücksichtigte das DOJ die von SAP erzielten Rückforderungen bereits gezahlter Vergütungen von Mitarbeitenden, die in die Verstöße involviert waren. Darüber hinaus rechnete das DOJ auch künftig einzubehaltende Prämien an. Insofern ist von einem weiten Verständnis des DOJ auszugehen. Gleichwohl ist anzumerken, dass die Summe der zurückgeforderten Vergütungen von knapp 110.000 US-Dollar eher überschaubar ist. Zudem ist anzumerken, dass das Vergütungs- und Bonussystem eines Unternehmens Gegenstand lokalen Arbeitsrechts ist und eine Rückforderung bzw. Vorenthaltung von Vergütungsbestandteilen nicht immer rechtlich zulässig und erfolgreich ist.

Außergewöhnlich hoher Rabatt für Kooperationen

Weitaus höher zu Buche schlägt der Rabatt, den SAP wegen seines proaktiven Ansatzes und seinen Kooperationsbemühungen vor und während der Untersuchung auf die Strafe erhalten hat. Die Anerkennung der Zusammenarbeit von SAP stützte das DOJ insbesondere auf die nachfolgenden Aspekte:

  • Gründliche interne Untersuchung: SAP führte eine interne Untersuchung des Fehlverhaltens durch und teilte dem DOJ deren Ergebnisse mit. Die so geschaffene Transparenz, der Zugang zu relevanten Informationen und die regelmäßige, zeitnahe und detaillierte Berichterstattung gegenüber den Behörden waren entscheidende Elemente der Zusammenarbeit.
  • Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden: SAP kooperierte darüber hinaus von Beginn an auch mit anderen ausländischen Behörden bei deren Ermittlungen und zeigte damit das Engagement dahingehend, die Verstöße weltweit aufklären zu wollen.
  • Ermöglichung von Zeugenbefragungen: SAP stellte freiwillig bzw. auf Ersuchen der Behörden Mitarbeitende des Unternehmens für deren Befragungen zur Verfügung, die über wesentliche Informationen zu den untersuchten Sachverhalten verfügten. Zudem ergriff SAP Maßnahmen zur Erleichterung der Interviews bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Sicherheitsbedenken der Zeugen. Dies verschaffte den Behörden zum Teil überhaupt erst den Zugang zu einzelnen Personen als Zeugen.
  • Rechtzeitige Bereitstellung von Informationen, Analysen und Übersetzungen: SAP stellte umgehend und vollständig Informationen und Dokumente aus einer Vielzahl von Ländern zur Verfügung, um die Ermittlungen der Regierung zu unterstützen. Zudem analysierte das Unternehmen komplexe Finanzinformationen und übersetzte umfangreiche fremdsprachige Dokumente, um die behördlichen Ermittlungen zu vereinfachen und gleichzeitig zu beschleunigen.
  • Sicherung und Auswertung der Telefone: SAP sicherte zu Beginn der internen Untersuchung die Telefone relevanter Personen, um so einschlägige und beweiskräftige Daten und Geschäftskommunikation über mobile Messaging-Anwendungen zur Verfügung stellen zu können.
  • Abhilfemaßnahmen: Weiterhin ergriff SAP Abhilfemaßnahmen, um die Probleme im Zusammenhang mit den Verstößen anzugehen und zukünftig ähnliche Verstöße zu vermeiden; so hat SAP die internen Kontrollen und Compliance-Programme verbessert.

Insgesamt haben der proaktive Ansatz von SAP und die Abhilfebemühungen wesentlich dazu geführt, dass das DOJ die Kooperation anerkannte und die Strafe reduzierte. Dagegen erhielt SAP keine Anrechnung für die freiwillige Offenlegung des Fehlverhaltens, da das in Rede stehende Fehlverhalten erst gegenüber dem DOJ offengelegt wurde, als es bereits zu Presseberichterstattungen kam.

Mögliche Maßnahmen von Unternehmen zur Verhinderung von Verstößen

Losgelöst von diesem konkreten Fall können Unternehmen in vergleichbaren Situationen eine Reihe von Abhilfemaßnahmen ergreifen, um ähnliche Verstöße in Zukunft zu verhindern, darunter etwa:

  • Compliance-Programme überprüfen und verbessern: Unternehmen sollten ihre Compliance-Programme stetig verbessern und sicherstellen, dass diese robust und effektiv sind, um Verstöße gegen den FCPA zu verhindern und aufzudecken.
  • Kontrollen einrichten: Unternehmen sollten über wirksame interne Kontrollen und Mechanismen verfügen, um das Risiko von unzulässigen Zahlungen zu verringern.
  • Überprüfungen von Dritten einführen: Unternehmen sollten geeignete Due-Diligence-Prozesse für Drittvermittler und Geschäftspartner einführen, um sicherzustellen, dass diese die Anti-Korruptionsstandards einhalten. Bei identifizierten Lücken sind diese Prozesse zu verschärfen und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
  • Bewusstsein stärken: Unternehmen sollten ihren Mitarbeitenden und wichtigen Stakeholdern verständliche und unternehmensbezogene Schulungen und Trainings zur Korruptionsbekämpfung anbieten, um das Bewusstsein für die Anforderungen des FCPA und ethische Standards zu schärfen.
  • Überwachungen und Prüfungen implementieren: Unternehmen sollten regelmäßige Überwachungs- und Prüfverfahren einführen, um mögliche Verstöße aufzudecken und zu beheben.
  • Meldemechanismen einrichten: Unternehmen sollten Mechanismen für Mitarbeitende, Geschäftspartner, Kunden und sonstige Stakeholder einrichten, um vermutetes unethisches oder illegales Verhalten vertraulich und ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen melden zu können. Oftmals erhalten Unternehmen nur so die Möglichkeit, von einem Verdacht Kenntnis zu erlangen, diesen zu untersuchen und Fehlverhalten aufzuklären.
  • Mit Behörden zusammenarbeiten: Unternehmen sollten mit den US-amerikanischen sowie anderen Strafverfolgungsbehörden weltweit bestmöglich zusammenarbeiten und diese Zusammenarbeit auch nach Einleitung eines offiziellen Verfahrens fortsetzen. Dies führt die offiziellen Ermittlungen zügig zu einem Ergebnis und trägt zum Abschluss des Verfahrens bei. Zudem tritt damit der Wille des Unternehmens zutage, das Fehlverhalten zügig sowie umfassend aufzuklären, was sich – wie der Fall von SAP zeigt – reduzierend auf die Strafzahlung auswirken kann.

Unser Beratungsangebot an Unternehmen

Durch unsere langjährige Erfahrung im Umgang mit US-Strafverfolgungsbehörden und deren Erwartungen an Compliance-Management-Systeme unterstützen wir Unternehmen regelmäßig bei der Einführung, Überprüfung, Weiterentwicklung und Verbesserung ihrer Compliance-Programme, -Organisation und -Struktur. Zudem sind wir der ideale Ansprechpartner für alle Fragen betreffend das Compliance-Monitorship – sei es als unabhängiger Monitor für die US-Behörden, als Counsel to the Monitor, als Counsel to the Company oder im Rahmen eines freiwilligen Compliance-Monitorship.

Sprechen Sie uns gerne jederzeit an.