Aktuelles von Pohlmann & Company

09.05.2023

EU-Kommission kündigt neue Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung an

Die EU-Kommission hat angekündigt, mit einer neuen Anti-Korruptionsstrategie gegen Missbrauch, organisierte Kriminalität und Korruption vorzugehen, und hierzu am 3. Mai 2023 einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt. Angestrebt wird eine Modernisierung und weitgehende Harmonisierung des rechtlichen Rahmens der strafrechtlichen Verfolgung von Korruption in den Mitgliedstaaten. Insbesondere sollen die als Korruptionsdelikte zu verfolgenden Straftaten einheitlich definiert werden. Auch das Strafmaß sowie Verjährungsfristen, welche derzeit stark zwischen den Mitgliedstaaten variieren, sollen angeglichen sowie ein neues Sanktionssystem für Drittstaaten eingeführt werden, welches Einreiseverbote und Vermögenssperren ermöglicht.

Bildung eines EU-Netzwerks zur Förderung der Korruptionsbekämpfung geplant

Ein Netzwerk auf EU-Ebene soll künftig die Korruptionsbekämpfung in der gesamten Europäischen Union fördern. Es soll Strafverfolgungsbehörden, öffentliche Stellen, Angehörige von Berufsgruppen, Vertreter der Zivilgesellschaft und andere Interessenvertreter zusammenbringen, um bewährte Verfahren und praktische Leitlinien auszuarbeiten sowie die Kommission bei der Identifizierung von Bereichen mit hohem Korruptionsrisiko zu unterstützen. Das Ziel besteht darin, die Erkenntnisse des Netzwerks in die zukünftige EU-Strategie zur Korruptionsbekämpfung einfließen zu lassen. Somit soll sichergestellt werden, dass die geplanten Maßnahmen der EU-Antikorruptionsstrategie über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg mit größtmöglicher Wirkung und Konsistenz angewendet werden.

Neue EU-Richtlinie soll zur Modernisierung und Harmonisierung im Kampf gegen Korruption beitragen

Des Weiteren hat die Kommission den Entwurf einer Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung vorgelegt, der darauf abzielt, den bestehenden EU-Rechtsrahmen zu modernisieren und die Korruptionsprävention und Etablierung einer Kultur der Integrität aktiv zu fördern. Hierzu sind diverse Initiativen geplant, um das Bewusstsein für das Thema Korruption zu schärfen und eine höchstmögliche Rechenschaftspflicht im öffentlichen Sektor, insbesondere die transparente Handhabung von Interessenkonflikten sowie die Überprüfung von Vermögenswerten öffentlicher Bediensteter, zu gewährleisten. Definitionen von Korruptionsstraftaten sollen harmonisiert werden, um nicht nur Bestechung, sondern zukünftig auch Veruntreuung, Einflussnahme, Amtsmissbrauch, Behinderung der Justiz und illegale Bereicherung EU-weit verfolgen zu können. Ziel ist es, dass alle Straftaten gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption in den EU-Rechtsvorschriften geregelt und Korruption im öffentlichen und privaten Sektor in ein und demselben Rechtsakt behandelt werden.

1. Verschärftes Sanktionsregime für Korruption

Der Richtlinienentwurf sieht verschärfte Sanktionsmaßnahmen für natürliche und juristische Personen vor. Hierbei sind insbesondere die Artikel 16 und 17 des Richtlinienentwurfs hervorzuheben. Nach dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sanktionsregime können juristische Personen für Korruptionsstraftaten, die von ihren Organmitgliedern oder anderen Personen in leitender Stellung begangen wurden und zum Vorteil des Unternehmens erfolgt sind, haftbar gemacht werden. Nicht zu unterschätzen ist dabei der umfangreichen Sanktionskatalog nach Artikel 17 des Richtlinienentwurfs:

  • Gruppenweite Geldbußen von bis zu 5% des weltweiten Umsatzes des der Geldbuße vorausgehenden Geschäftsjahres
  • Dauerhafter oder temporärer Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren
  • Entzug von Bewilligungen oder Genehmigungen zur Ausübung von Tätigkeiten, in deren Rahmen die Straftat begangen wurde
  • Unterstellung der juristischen Person unter richterliche Aufsicht
  • Richterliche Anordnung zur Auflösung der juristischen Person

2. Anerkennung von Compliance-Management-Systemen und Freiwilligen Selbstanzeigen

Neben der Verschärfung der Sanktionsregelungen beabsichtigt die EU-Kommission mit ihrem Entwurf eine EU-weite Harmonisierung von strafverschärfenden und strafmildernden Umständen herbeizuführen. So nennt Artikel 18 die Etablierung eines effektiven Compliance-Management-Systems und wirksamer interner Kontrollen zur Korruptionsprävention als strafmildernde Umstände. Dabei erkennt der Richtlinienentwurf explizit auch nachträgliche Compliance-Maßnahmen als strafmildernden Umstand an. Ähnlich hatte zuletzt auch der BGH in seinem Beschluss vom 22. April 2022 (Az.: 5 StR 278/21) ausdrücklich bestätigt, dass nachträgliche Compliance Maßnahmen beim Vergeltungsanteil des Bußgeldes nach § 30 OWiG berücksichtigt werden können (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 29.11.2023). Mit einer Umsetzung der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie in deutsches Recht dürfte dieser Ansatz wohl auch endgültig Einzug in das Gesetz finden.

Darüber hinaus weist der Richtlinienentwurf der EU-Kommission gewisse Parallelen zur jüngst aktualisierten Corporate Enforcement Policy des US-Justizministeriums DOJ auf (siehe hierzu unseren Blog-Beitrag vom 10.02.2023). Denn auch nach dem Richtlinienentwurf sollen freiwillige Selbstanzeigen und Abhilfemaßnahmen nach der Entdeckung einer Straftat als strafmildernd berücksichtigt werden.

3. Stärkung der Strafverfolgungsbehörden für eine wirksamere Korruptionsbekämpfung

Aufgrund der oftmals grenzüberschreitenden Natur von Korruption sollen die Zusammenarbeit sowie die Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden. Nach Maßgabe des Richtlinienentwurfs müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Strafverfolgungsbehörden und Staatsanwälte über geeignete Ermittlungsinstrumente zur Korruptionsbekämpfung verfügen. Hierbei soll gemäß Artikel 19 des Richtlinienentwurfs sichergestellt werden, dass Vorrechte und Befreiungen, welche Amtsträgern oder sonstigen öffentlichen Bediensteten gewährt werden, bei Korruptionsermittlungen durch ein wirksames und transparentes Verfahren zeitnah aufgehoben werden können. Ferner soll das Sanktionsinstrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf schwere Korruptionsdelikte ausgeweitet werden.

Bevor die vorgeschlagene Richtlinie zur Korruptionsbekämpfung EU-Recht werden kann, muss diese vom Europäischen Parlament und vom Rat verhandelt und verabschiedet werden.

Fazit

Der Korruptionsskandal um die Vizepräsidentin des Europaparlaments Kaili hatte nochmals eindrücklich vor Augen geführt, dass Korruption vor den Grenzen der EU keinen Halt macht. Neben dem immensen wirtschaftlichen Schaden bedeutet Korruption auch stets eine Untergrabung des Vertrauens in demokratische Grundwerte. Mit ihrem Maßnahmenpaket lenkt die EU in die richtige Richtung, um weitere Skandale zu verhindern und Schlupflöcher bei der internationalen Strafverfolgung zu schließen. Inwieweit die Korruptionsbekämpfungsrichtlinie Einfluss auf die nach dem Scheitern des Verbandssanktionengesetzes in Deutschland nunmehr geplante Überarbeitung des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) haben wird, bleibt abzuwarten. Mit dem Richtlinienentwurf nähert sich die EU einem umfassenden Unternehmensstrafrecht nach US-amerikanischen Vorbild deutlich an. Deutsche Unternehmen sollten diese Entwicklungen im Auge behalten und ihr Compliance-Management-System auf die im Entwurf angekündigten Anforderungen hin überprüfen.

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