Rat und Europäisches Parlament erzielen Einigung über neuen EU-Rechtsakt zur verstärkten Korruptionsbekämpfung

Am 02.12.2025 haben sich der Rat der Europäischen Union und das EU-Parlament auf eine leicht überarbeitete Fassung der EU-Antikorruptionsrichtlinie geeinigt. Die Verhandlungen über den Text der Richtlinie dauern nun schon seit ca. zwei Jahren an, nachdem bereits im Mai 2023 ein erster Vorschlag der Kommission veröffentlich worden war, der mit der Veröffentlichung eines modifizierten Entwurfs des Rats im Juni 2024 noch einmal gewisse Änderungen erfahren hatte. Mit der nun erzielten Einigung muss die Richtlinie noch formal im Rat und im Parlament angenommen werden. Änderungen sind aber nicht mehr zu erwarten.

Die Richtlinie ist nach dem Inkrafttreten innerhalb von zwei Jahren in den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen.

Hintergrund

Die Richtlinie dient einerseits der Umsetzung der Anforderungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC). Sie war aber immer auch als europäische Antwort auf den US-amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) mit seinem weiten exterritorialen Anwendungsbereich gedacht. So erlaubt die Richtlinie in ihrer aktuellen Kompromissfassung in Artikel 20 Abs. 1a lit. (d) eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des nationalen Strafrechts auf Sachverhalte, die zugunsten einer (ausländischen) juristischen Person begangen wurden, wenn diese Teile ihrer damit zusammenhängenden Geschäftstätigkeit im Gebiet des jeweiligen Staates erbringen. Dies würde, wenn der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, über die bisherigen Anwendungsregelungen in § 3 ff. StGB hinausgehen. Da die Trump-Administration im Frühjahr dieses Jahres die Vollstreckung des FCPA vorübergehend ausgesetzt hatte, war auch das Schicksal dieser EU-Antwort fraglich. Mit dem Memorandum des Deputy Attorney General des US-amerikanischen Justizministeriums vom 09.06.2025 wurde die Strafverfolgung wieder aufgenommen, diesmal mit Fokus auf Fälle, in denen Interessen der amerikanischen Wirtschaft geschädigt wurden. Damit werden nun europäische Unternehmen stärker in den Fokus genommen. Entsprechend hat die EU nun eine Einigung zur EU-Antikorruptionsrichtlinie vorangetrieben.

Die einzelnen Straftatbestände

Der Richtlinienentwurf sieht in Artikel 7 bis 13 verschiedene Straftatbestände im öffentlichen und privaten Sektor vor. Damit verabschiedet die EU erstmals einen Rechtsakt, der beide Korruptionsbereiche miteinander verbindet, die bislang in verschiedenen Rechtsakten adressiert waren.

Die Korruptionstatbestände im öffentlichen Sektor

Im öffentlichen Sektor, also gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern, ist vor allem der Tatbestand der Bestechung in Art. 7 Abs. 1 lit a) der Richtlinie relevant, spiegelbildlich die Bestechung in Art. 7 Abs. 1 lit. (b). Hier gab es keine großen Änderungen gegenüber dem Entwurf des Rats. Strafbar als Bestechung sollen demnach Handlungen sein, bei denen

„jemand unmittelbar oder über einen Mittelsmann einem öffentlichen Bediensteten einen ungerechtfertigten Vorteil jedweder Art für ihn selbst oder für einen Dritten als Gegenleistung dafür verspricht, anbietet oder gewährt, dass dieser Bedienstete eine Diensthandlung oder eine Handlung in Ausübung seines Dienstes vornimmt oder unterlässt.“

Art. 7 des Richtlinienentwurfs ist damit enger gefasst als §§ 331, 333 StGB, da nach diesen jede Dienstausübung genügt, während Art. 7 eine Diensthandlung fordert (in der englischen Fassung „to act or refrain from acting“, also etwas konkreteres als die bloße Dienstausübung.

Art. 7 Abs. 1 lit (a) verwendet zudem den Begriff des „ungerechtfertigten Vorteils“ („undue advantage“). Dieses Merkmal bringt aber ebenfalls keine Änderungen zum deutschen Strafrecht, da in der gängigen Begriffsdefinition des „Vorteils“ im deutschen Korruptionsstrafrecht – unabhängig ob im privaten oder öffentlichen Sektor – bereits enthalten ist, dass auf den Vorteil kein Anspruch bestehen darf.

Eine kleine Änderung im deutschen Recht wird es dennoch geben müssen: In den Begriffsbestimmungen des Richtlinienentwurfs wird der Begriff der öffentlichen Bediensteten auf Mandatsträger („Personen, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ein Amt im Bereich der Gesetzgebung innehaben“) erweitert. Mandatsträger – also Abgeordnete des Bundestags und der Landtage – können zwar schon über §§ 108e, 108f StGB erfasst werden. Aber auch die jüngste Erweiterung durch § 108f StGB eine unzulässige Interessenwahrnehmung als Gegenleistung, ist zu eng. § 108f StGB begrenzt den Vorteilsbegriff auf „Vermögensvorteile“, während die Richtlinie jeden (ungerechtfertigten) Vorteil erfasst. Zudem begrenzt § 108f StGB die Gegenleistung der oder des Abgeordneten auf Fälle, in denen er oder sie ihre Pflichten aus den jeweiligen Abgeordnetengesetzen verletzt. Art. 7 des Richtlinienentwurfs erfasst aber jede Diensthandlung als Gegenleistung. Hier wird also Anpassungsbedarf des deutschen Gesetzgebers bestehen.

Änderungsbedarf wird es auch aufgrund der Regelung in Art. 10 des Richtlinienentwurfs geben. Danach sollen Handlungen strafbar sein,

„bei denen jemand unmittelbar oder über einen Mittelsmann einer Person […] einen ungerechtfertigten Vorteil jedweder Art als Gegenleistung dafür verspricht, anbietet oder gewährt, dass die betreffende Person […] unerlaubten Einfluss hinsichtlich einer Entscheidung oder Maßnahme ausübt, die von einem öffentlichen Bediensteten in Ausübung seines Dienstes zu treffen ist, um von einem öffentlichen Bediensteten einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen.“

Damit begründet die Richtlinie die Strafbarkeit des sog. Einflusshandels, wie er in vielen europäischen Rechtsordnungen bereits unter Strafe gestellt ist (zB trafic d’influence in Frankreich) Erfasst sind Fälle, in denen Personen aufgrund ihrer Stellung und Nähe zu Entscheidungsträgern in der Lage sind, auf diese Entscheidungsträger Einfluss auszuüben. Gemeint sind zB Mitglieder politischer Parteien ohne eigenes öffentliches Amt. Die Logik des neuen Tatbestandes lässt sich der nachfolgenden Grafik entnehmen:

Abb. 1: Systematik des Delikts des Einflusshandels in Art 10 der Richtlinie

Diese Fälle können zwar bislang auch schon über das Merkmal des Drittvorteils im deutschen Korruptionsstrafrecht erfasst werden können, aber eben nicht vollständig. Die Systematik möglicher Drittvorteile lässt sich aus folgender Grafik ablesen:

Abb. 2: Systematik des Drittvorteils nach bisherigem Strafrecht

Es genügt bislang bereits, dass der Vorteil nicht an die Amtsträgerin oder den Amtsträger, sondern an jeden beliebigen Dritten geleistet wird. Die Kommunikation in Bezug auf den Vorteil, also das Anbieten oder Versprechen, muss aber mit der Amtsträgerin oder dem Amtsträger stattfinden. Das ist der entscheidende Unterschied zum neuen Tatbestand: Auch die Kommunikation kann mit einem Dritten geführt werden, solange diese dritte Person den Amtsträger oder die Amtsträgerin beeinflussen soll.

Es steht deshalb zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber ein vollständig neues Delikt des Einflusshandels schaffen wird.

Korruption im privaten Sektor

Art. 8 Abs. 1 lit. (a) des Richtlinienentwurfs stellt als Bestechung Handlungen unter Strafe, bei denen

„jemand unmittelbar oder über einen Mittelsmann einer Person, die für ein Unternehmen im privaten Sektor in leitender oder sonstiger Stellung tätig ist, einen ungerechtfertigten Vorteil jedweder Art für diese Person selbst oder für einen Dritten als Gegenleistung dafür verspricht, anbietet oder gewährt, dass diese Person unter Verletzung ihrer Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt.“

Art. 8 des Richtlinienentwurfs ist damit enger gefasst als § 299 StGB, der neben dem Geschäftsherrenmodell auch das Wettbewerbsmodell enthält, also als Gegenleistung des Bestochenen nicht nur die Pflichtverletzung im Innenverhältnis erfasst, sondern auch die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb. Deshalb ist keine Änderung des deutschen Rechts erforderlich, da die Mitgliedsstaaten strengere Regelungen immer erlassen können.

Es ist auch nicht zu erwarten, dass das Wettbewerbsmodell im deutschen Recht aufgegeben wird. Das ist der Kern der Korruptionsdelikte im privaten Sektor in Deutschland und bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland strafrechtlich erfasst. Die Folge ist, dass ein Einverständnis der Unternehmensleitung mit der Annahme von Vorteilen durch seine Mitarbeiter weiter an der Strafbarkeit nichts ändert, wenn damit eine Wettbewerbsverzerrung intendiert ist. Sog. „Spiffing“, also Verkaufsprämien des Herstellers gegenüber Verkäufern beim Händler bleibt damit in Deutschland strafbar, während es in den meisten anderen Rechtsordnungen zulässig ist.

Untreuestrafbarkeit

Art. 9 des Richtlinienentwurfs sieht ein Untreuedelikt vor („Misappropriation“), das nicht auf den öffentlichen Sektor beschränkt bleibt. Strafbar soll danach Handlungen sein, „bei denen ein öffentlicher Bediensteter oder eine Person, die für ein Unternehmen in leitender oder sonstiger Stellung tätig ist,

„einen Vermögensgegenstand, mit dessen Verwaltung diese Person betraut ist, zum Vorteil dieser Person oder eines Dritten im Rahmen wirtschaftlicher, finanzieller oder geschäftlicher Tätigkeiten zweckwidrig bindet, auszahlt, sich zueignet oder nutzt, wenn damit die finanziellen Interessen des öffentlichen oder privaten Rechtssubjekts geschädigt werden oder eine Bereicherung dieser Person oder eines Dritten angestrebt ist.“

Diese Regelung erinnert an den deutsche Untreuetatbestand in § 266 Abs. 1 StGB, ist aber tatsächlich weiter gefasst. Denn als Taterfolg steht nun die intendierte Bereicherung neben dem Vermögensnachteil, wie § 266 StGB ihn jetzt bereits erfasst. Diese weite Fassung kann durchaus kritisch gesehen werden. Denn der Untreuetatbestand ist jetzt schon recht weit und lässt insbesondere in der Treuebruchvariante gewisse Konturen vermissen. Wenn jetzt noch eine Erweiterung auf eine Bereicherungsabsicht mit aufgenommen wird, ließe sich zwar argumentieren, dass damit keine wirkliche Ausdehnung des Tatbestandes stattfindet. Denn einem Vermögensschaden dürfte immer auch eine Bereicherung entsprechen. Faktisch findet damit aber eine Verlagerung der Strafbarkeit in ein Versuchsstadium statt, nämlich wenn ein Vermögensnachteil zwar angestrebt, aber noch nicht eingetreten ist. Der Versuch ist bislang bei der Untreue aber nicht strafbar. 

Rechtsfolgen

Die Richtlinie sieht in gewöhnungsbedürftiger Regelungssystematik wieder Mindest-Höchststrafen vor, die gewissen Änderungsbedarf auslösen werden.

Relevant sind die Rechtsfolgen für Unternehmen. Die Nebenfolgen – einzelne Aufsichtsmaßnahmen bis hin zur gesellschaftsrechtlichen „Todesstrafe“, der Auflösung des Unternehmens – sind als Kann-Vorschriften ausgestaltet und werden vom deutschen Gesetzgeber vermutlich nicht umgesetzt werden. Der Bußgeldrahmen sieht einerseits Bußgelder von bis zu 3 % oder 5 % – je nach Delikt – des Umsatzes vor, alternativ absolute Bußgeldrahmen von bis zu EUR 24,0 Mio. oder EUR 40,0 Mio. Es ist zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber die absoluten Bußgeldrahmen verwenden wird, wie bereits im Referentenentwurf zum Umsetzungsgesetz zur Ökozid-Richtlinie mit Änderung des § 30 Abs. 2 S. 1 OWiG angelegt. 

Compliance und interne Untersuchungen

Der Richtlinienentwurf legt als mildernde Umstände ausdrücklich das Bestehen eines Compliance-Management-Systems fest, das auch dann eine mildernde Wirkung entfalten soll, wenn es erst nach der Tat eingerichtet wurde.

Unternehmen sind damit jedenfalls weiterhin gut beraten, ein funktionsfähiges CMS zur Korruptionsvermeidung zu unterhalten, das auch tatsächlich funktioniert. Diese Anforderung wird aus Erwägungsgrund 23 deutlich, in dem auf „echte, wirksame und gebührend bewertete“ Compliance-Management-Systeme Wert gelegt wird. Ausdrücklich ausgeschlossen sein soll ein CMS nur für „kosmetische Zwecke“, das nur als „Augenwischerei“ zu bezeichnen sei. Das ist deutlich.

Zwar spricht die Regelung von „gebührend bewerteten“ Programmen, es dürfte aber nicht zwingend eine Zertifizierung (IDW PS 980, ISO 27001) erforderlich sein. Die Regelung erinnert vielmehr an die US Department of Justice Guideline zur „Evaluation of Corporate Compliance Programs“ aus September 2024, die bei der Bewertung von Compliance-Management-Systemen immer zuerst die Frage stellt, ob ein CMS auch in der Praxis funktioniert („does the corporation’s compliance program work in practice“).

Interessant sind auch die vorgesehenen Milderungsmöglichkeiten bei internen Untersuchungen. Art. 18a. Nach Abs. 1 lit (a) soll strafmildernd sein, wenn das betroffene Unternehmen den Behörden Informationen liefert, die diese (i) auf andere Weise nicht erhalten hätten und (ii) die ihnen helfen andere Täter zu ermitteln oder Beweise zu sammeln. Der Richtlinienentwurf beschreibt die Milderungsmöglichkeit durch interne Untersuchungen damit ergebnisorientiert. Es müssen:

  • Beweise gesammelt,
  • Die Straftat rasch den Behörden mitgeteilt
  • (Individual-)Täter überführt und
  • Abhilfemaßnahmen ergriffen werden.

Fazit und praktische Folgen für Unternehmen

Um in den Genuss einer Strafmilderung zu kommen, sollten Unternehmen deshalb schon präventiv die folgenden Maßnahmen umsetzen:

  • Sie sollten effektive Compliance-Management-Programme einführen, falls sie diese nicht schon besitzen. Eine Zertifizierung (IDW PS 980, ISO 27001) ist hilfreich, aber nicht zwingend. Entscheidend ist die praktische Wirksamkeitskontrolle, die im Rahmen einer Zertifizierungsprüfung häufig nicht ausreichend gewürdigt wird. Entscheidend ist, diese kontinuierlich und umfassend auf Aktualität und Wirksamkeit zu überprüfen, zB durch Health Checks, Gap Analysen oder Transaction Testings. Relevant sind auch Maßnahmen zur Erhaltung der Compliance-Kultur, etwa Vergütungsmodelle, die Compliance belohnen oder Clawback-Klauseln bei Non-Compliance.
  • Die Durchführung solcher Programme ist auch noch nach Begehung der Straftat möglich. Jedenfalls sollten nach einer festgestellten Korruptionsstraftat wirksame Remediation-Maßnahmen ergriffen werden.
  • Zudem sollten bereits präventiv Prozesse für Investigations festgelegt werden, da der Richtlinienentwurf eine rasche Ermittlung verlangt. Müssen dann erst Investigation-Prozesse gestaltet werden, wird die Zeit oft knapp.
  • Im Rahmen einer internen Untersuchung kann man sich nicht mehr auf objektive Sachverhaltsaufarbeitung beschränken, sondern wird auch individuelles Verschulden mehr in den Fokus nehmen müssen.
  • Amnestieprogramme und Vergleiche mit Abgeltungsklauseln werden außerdem nicht mehr so einfach umsetzbar sein können, wenn darin zugesichert wird, dass das Unternehmen auf eine aktive Strafanzeige verzichtet.