Aktuelles von Pohlmann & Company

27.01.2020

Neuer SFO-Leitfaden für Compliance-Programme

Am 17. Januar 2020 hat das britische Serious Fraud Office („SFO“) ein aktualisiertes Kapitel seines Arbeitshandbuchs veröffentlicht: „Evaluierung eines Compliance-Programms“ (der „Leitfaden“). Das Arbeitshandbuch des SFO dient diesem als interner Leitfaden für seine Staatsanwälte und beschreibt Best-Practice-Standards in verschiedenen Themenbereichen. Der Leitfaden gibt wertvolle Einblicke in die Art und Weise, wie das SFO die Wirksamkeit von Compliance-Programmen in Unternehmen beurteilt, die Gegenstand von Untersuchungen durch die Behörde sind. Zudem beschreibt der Leitfaden die verschiedenen Zeitpunkte während der Ermittlungen, an denen eine solche Beurteilung aus Sicht der Behörde relevant ist.

Zu Beginn betont das SFO, die Wichtigkeit für Unternehmen jeder Größe, geeignete Compliance-Programme eingeführt zu haben, um das Risiko von Fehlverhalten zu reduzieren. Dabei erkennt die Behörde an, dass die individuellen Risikoprofile eines Unternehmens für die jeweilige Ausgestaltung des Compliance-Programms ausschlaggebend sind und sich daher von Unternehmen zu Unternehmen auch unterscheiden. Von einem Compliance-Programm wird erwartet, dass es sowohl risikobasiert und verhältnismäßig ist, als auch regelmäßig überprüft wird. Im Rahmen von Ermittlungen und ggf. einer anschließenden Anklage oder Vergleichsverhandlung müssen die Staatsanwälte die vergangene, gegenwärtige und zukünftige Wirksamkeit des Compliance-Programms eines Unternehmens beurteilen:

  • Die Vergangenheit: Ein zum Zeitpunkt des Verstoßes nicht vorhandenes oder unwirksames Compliance-Programm erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Strafverfolgung des Unternehmens im öffentlichen Interesse liegt. Erfolgte der Verstoß jedoch trotz eines wirksamen Compliance-Programms, so kann dies ein Verteidigungsargument nach s7 UK Bribery Act 2010 darstellen.
  • Die Gegenwart: Hat das Unternehmen im Nachgang zu dem Verstoß sein Compliance-Programm gestärkt, so kann dies ein Hinweis für Abhilfemaßnahmen sein und dazu führen, dass eine Strafverfolgung nicht länger im öffentlichen Interesse ist.
  • Die Zukunft: Mit Blick in die Zukunft können dem Unternehmen im Rahmen einer Vereinbarung über eine Verwarnung mit Vorbehalt Auflagen erteilt werden, die als angemessen erachtet werden, um das gewünschte Ziel, nämlich die Umsetzung eines wirksamen Compliance-Programms, zu erreichen.

Unternehmen sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass, selbst wenn eine Strafverfolgung letztlich als notwendig erachtet werden sollte, das Vorhandensein eines ansonsten wirksamen Compliance-Programms in Betracht gezogen werden kann und sich strafmildernd auswirken kann. Dies ist selbst dann der Fall, wenn sich die Bemühungen eines Unternehmens, ein solches Compliance-System einzurichten, im Einzelfall nicht als wirksam erwiesen haben.

Der Leitfaden unterstreicht die zentrale Rolle von Nachweisen zur Dokumentation von Compliance-Aktivitäten bei jeder Untersuchung. Eine entsprechende Dokumentation kann nicht nur zur Beurteilung der Wirksamkeit des Compliance-Programms dienen, sondern auch Beweise oder Indizien für den untersuchten Fall liefern.

Der Leitfaden hebt hervor, dass die sechs Grundsätze, welche das Justizministerium bereits 2011 zum UK Bribery Act 2010 veröffentlicht hat, weiterhin einen guten allgemeinen Rahmen für die Bewertung von Compliance-Programmen darstellen:

  • Grundsatz 1: Angemessene Prozesse
  • Grundsatz 2: Engagement der obersten Führungsebene
  • Grundsatz 3: Risikobewertung
  • Grundsatz 4: Due Diligence
  • Grundsatz 5: Kommunikation (einschließlich Schulung)
  • Grundsatz 6: Beobachtung und Überprüfung

Es überrascht nicht, dass das SFO den Unternehmen weiterhin keinen „One-Size fits all“-Ansatz an die Hand gibt. Stattdessen wird erneut betont, dass jedes Unternehmen regelmäßig seine eigene Risikobewertung durchführen und wirksame Richtlinien und Maßnahmen durchführen soll, welche die identifizierten Risiken adressieren.

Der Leitfaden ist in englischer Sprache hier abrufbar.