Korruptionswahrnehmungs-Index 2023 veröffentlicht
Die internationale Anti-Korruptionsorganisation Transparency International hat am 30. Januar 2024 den aktuellen Korruptionswahrnehmungs-Index (Corruption Perceptions Index / ‚CPI‘) für das Jahr 2023 veröffentlicht.
Zusammenfassung
- Der CPI 2023 indiziert eine Stagnation der Bekämpfung der weltweit wahrgenommenen Korruption im öffentlichen Sektor. Wie bereits im Vorjahr erreichten zwei Drittel der untersuchten Staaten nur eine Punktzahl von 50 oder weniger und damit weniger als die Hälfte des maximal erreichbaren Punktewerts von 100. Sie wiesen damit ein kritisches Korruptionsneigungsniveau auf. Der weltweite Durchschnitt liegt wie bereits in den Vorjahren bei nur 43 Punkten, während die große Mehrheit der Länder in den letzten zehn Jahren keine Fortschritte gemacht oder sich sogar verschlechtert hat. Darüber hinaus sind 23 Länder in diesem Jahr auf ihren bisher niedrigsten Wert gefallen.
- Deutschland verliert im Vergleich zu letztem Jahr einen Punkt und liegt mit 78 Punkten auf dem neunten Rang im weltweiten Vergleich. Laut Transparency Deutschland stagniere die Entwicklung in der Korruptionsbekämpfung in Deutschland insgesamt; es fehle hier an Konsequenz. Den wenigen hervorzuhebenden Maßnahmen wie der Einführung des Lobby-Registers, dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes oder auch neuen Regelungen zur Kontrolle der Parteienfinanzierung stünden einige Defizite gegenüber. So mangele es weiterhin an einem Lobbyfußabdruck und damit an der nötigen Transparenz bezüglich der konkreten Einflussnahme auf die Gesetzgebung durch Lobbyisten. Auch hinsichtlich des nach Auffassung von Transparency Deutschland dringend benötigten Unternehmensstrafrechts sei bislang kein konkreter Entwurf in Sicht.
- Transparency International stellt eine starke Korrelation zwischen schwachen rechtsstaatlichen Strukturen und einem hohen Korruptionsniveau Das Erstarken antidemokratischer Kräfte weltweit führe zu einem Ansteigen von Korruption in den jeweiligen Ländern.
Überblick Korruptionswahrnehmungs-Index 2023
Der CPI misst die in Wirtschaft, Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption im öffentlichen Sektor von 180 Staaten. Die Länder werden auf einer Skala von null Punkten („sehr korrupt“) bis 100 Punkten („sehr integer“) bewertet. Der Index fasst 13 Einzelindizes von 12 unabhängigen Institutionen zusammen und beruht auf Daten aus der Befragung von Expert:innen und Führungskräften.
Das Scoring des CPI erfolgt in vier Schritten: Auswahl der Datenquellen, Überführung der Ausprägungen in eine Skala von 0 bis 100, Berechnung des Durchschnitts dieser Datenquellen, welcher schließlich um die Standardabweichung ergänzt wird. Die Zuverlässigkeit aller Datenquellen wird nach bestimmten von Transparency International entwickelten Kriterien geprüft. Dadurch wird aber nicht die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ausgeschlossen. Deshalb muss der CPI immer mit einer kritischen Distanz gewertet werden: Es handelt sich nicht um eine objektive Messung tatsächlicher Korruptionsfälle in einem Land; dies wäre angesichts sehr unterschiedlicher Gesetzeslage und Verfolgungsintensität auch kaum möglich. Tatsächlich handelt es sich primär um einen Wahrnehmungsindex; und die Wahrnehmung wird auch durch Compliance-Risikobewertungen geprägt, die sich wiederum an Rankings wie in erster Linie dem CPI orientieren. Dementsprechend bestimmt die Erwartung einer höheren Neigung zu Korruption immer auch deren Wahrnehmung (Bias). Länder des „globalen Südens“ laufen hierdurch Gefahr, schlechter bewertet zu werden als die Situation tatsächlich ist und vice versa könnte sich auch ein positiv verzerrtes Bild der Situation im „globalen Norden“ ergeben.
Korruptes Verhalten und Sicherheitsbedrohungen auf der ganzen Welt
Transparency International verzeichnet wie schon in den beiden Vorjahren eine weltweite Stagnation des wahrgenommenen Korruptionslevels und erfasst einen seit 2016 beginnenden Rückgang globaler Rechtsstaatlichkeit. Dieser Trend sei auch durch das Erstarken autokratischer Regime und die Abnahme von effizienten Mechanismen zur Kontrolle von Regierungen bedingt.
So stellt Transparency International eine starke Korrelation zwischen Ländern mit schwachen rechtsstaatlichen Strukturen und einem hohen Korruptionsniveau fest. Der weltweite Trend zur Schwächung der Justizsysteme – nicht nur in autoritär, sondern auch in demokratisch geführten Ländern – führe zu einer geringeren Rechenschaftspflicht für Beamte, wodurch die Korruption gedeihen könne. Eine mangelnde Strafverfolgung zeige sich dabei auch in Ländern, die auf dem CPI einen hohen Rang einnehmen, selbst wenn sich dies nicht in ihrer Punktewertung widerspiegelt. Viele grenzüberschreitende Korruptionsfälle beträfen Unternehmen aus Ländern mit hoher Punktzahl, die bei Geschäften im Ausland auf Bestechung zurückgreifen. In anderen Fällen gehe es um Geschäftsleute, die Geheimnisse verkaufen oder auf andere Weise korrupte Beamte im Ausland unterstützen.
Der diesjährige CPI zeigt in allen Regionen eine Stagnation oder Anzeichen für einen Rückgang der Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung. So haben sich seit 2012 nur 28 von 180 Staaten hinsichtlich des wahrgenommenen Korruptionslevels verbessert. Dies bedeutet immerhin eine Zunahme von drei Staaten verglichen mit dem letzten Jahr. 34 Länder haben sich hingegen hinsichtlich des wahrgenommenen Korruptionslevels verschlechtert. Bei insgesamt 118 Ländern ist keine Veränderung des CPI zu verzeichnen und der durchschnittliche CPI liegt wie im Vorjahr bei 43 Punkten.
Zur Bekämpfung von Korruption empfiehlt Transparency International Regierungen weltweit,
- die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken,
- Integritäts- und Kontrollmechanismen einzuführen,
- den Zugang zur Justiz zu verbessern,
- die Justiz transparenter zu machen,
- die Zusammenarbeit innerhalb der Justiz zu fördern und
- die Möglichkeiten der Strafverfolgung in großen Korruptionsfällen zu erweitern.
Entwicklung der Korruptionswahrnehmung
Positiv hervorzuheben in der Entwicklung der Korruptionswahrnehmung in den letzten Jahren sind die Länder Usbekistan, Tansania, Ukraine, Côte d‘Ivoire, Dominikanische Republik und Kuweit. Der CPI dieser Länder hat sich jeweils um zwischen sieben bis fünfzehn Punkte verbessert. Die stärksten Verschlechterungen in den letzten Jahren haben Sri Lanka, Mongolei, Gabun, Schweden, Guatemala, und die Türkei mit Verlusten zwischen vier und elf Punkten zu verzeichnen. Russland (26 Punkte, Rang 141) landet auf dem niedrigsten CPI-Wert seit 2012. Das Putin-Regime hat zudem Transparency International im Jahr 2023 als „unerwünschte Organisation“ eingestuft. Auch der Iran (24 Punkte, Rang 149) und Venezuela (13 Punkte, Rang 177) kommen auf die bisher niedrigsten Werte seit Einführung der aktuellen Methodik.
Spitzenreiter im CPI 2023 sind erneut Dänemark (90 Punkte), Finnland (87 Punkte), Neuseeland (85 Punkte), Norwegen (84 Punkte) und Singapur (83 Punkte) sowie Schweden (82 Punkte)
Die Schlusslichter im Ranking des CPI 2023 sind Somalia (11 Punkte), Venezuela, Südsudan und Syrien (jeweils 13 Punkte). Innerhalb dieser Gruppe ergaben sich kaum Änderungen im Vergleich zum Vorjahr.
Mit Blick auf die Weltregionen zeigt sich folgendes Bild: In Westeuropa und der EU haben 13 % der Länder einen CPI von unter 50, gefolgt von Nord- und Südamerika (66%) dem asiatisch-pazifischen Raum (68%), dem Mittleren Osten und Nordafrika (78%), Afrika südlich der Sahel-Zone (90%) und Osteuropa und Zentralasien (95%).
Situation in Deutschland
Mit 78 Punkten auf dem neunten Rang gehört Deutschland laut Transparency International weiterhin zu den robustesten Ländern im Kampf gegen Korruption. Zugleich verliert Deutschland im zweiten Jahr in Folge einen Punkt. Skandale wie Cum-Ex, die Masken-Affäre und die Aserbaidschan-Affäre höben Deutschlands Schwachstellen hervor.
Konkret fordert Transparency Deutschland für das Jahr 2024 von der Bundesrepublik die Umsetzung von drei Vorhaben, die bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurden: die Verschärfung des Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung, den Lobbyfußabdruck und das Bundestransparenzgesetz.
Zudem warnt Transparency Deutschland vor einer Vernachlässigung von Korruptionsgefahren bei der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Diese bilde die Grundlage für den deutschen Beitrag zur Erreichung der globalen Agenda 2030. Die im Juni 2023 im Bundeskanzleramt diskutierte Zwischenbilanz zur Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sei durchwachsen: Deutschland liege bei mindestens 39 der 76 Indikatoren „off track“ (Stand 31.10.2022) und werde seine Verpflichtungen voraussichtlich nicht erreichen, wenn die aktuelle Entwicklung sich fortsetze. Als Indikator 16.3a zähle zu den Zielen der Bundesregierung auch eine Verbesserung der Bewertung im Korruptionswahrnehmungsindex bis zum Jahr 2030 – bisher ohne Erfolg. Zwar werde in der deutschen Strategie von 2016 auf die „Schlüsselfunktion des Ziels 16“ und damit auch der darin verankerten Korruptionsbekämpfung hingewiesen. Bei der Vorstellung der Zwischenbilanz habe das Thema jedoch keine Erwähnung gefunden, obwohl Korruption die Erreichung aller anderen Zielbereiche unterminieren könne.
Auswirkungen des Korruptionswahrnehmungsindex für Unternehmen
Die Ergebnisse des aktualisierten CPI liefern wichtige Risikoindikatoren für Compliance-Risiko-Analysen und risiko-basierte Geschäftspartnerprüfungen. Beide sind wesentliche Elemente eines effektiven Compliance Management Systems. Insbesondere Geschäftsbeziehungen in Länder, deren Punktezahl sich auffällig verschlechtert hat, sollten kritisch überprüft werden. Denn aus der verschlechterten Korruptionswahrnehmung könnten sich erhöhte Compliance-Risiken entwickelt haben.
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