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12.07.2019

Interne Ermittlungen: Fragetechniken in Interviews

Im Rahmen unternehmensinterner Ermittlungen sind neben der ordnungsgemäßen Durchführung vor allem die Planung und die Vorbereitung von Mitarbeiterbefragungen besonders wichtig. Das Ermittlungs-/Interviewteam sollte sich vorab darüber im Klaren sein, welche Strategie und Fragetechniken im Rahmen des Interviews eingesetzt werden sollen. Der Interviewansatz ergibt sich zum einen aus dem konkreten Ziel der Befragung und zum anderen aus den Rahmenbedingungen der Ermittlung.

Vorbereitung auf das Interview

Bei der Vorbereitung auf das Interview steht zunächst die Bestimmung des Interviewzwecks bzw. -ziels im Vordergrund. Von diesem Ziel ausgehend, wird die Struktur des Interviews in Form eines Interviewleitfadens entwickelt. Dieser dient vor allem dazu sicherzustellen, dass im Gespräch nichts Wichtiges außer Acht gelassen wird, ohne dass der Leitfaden im Gespräch wie ein starrer Fragenkatalog abgehandelt wird.

Fallbeispiel:

Zwei Mitarbeiter aus dem Einkauf sprechen in der Kaffeeküche darüber, wie sie mit Lieferanten über Gefälligkeiten „verhandeln“; hierbei werden sie von einem Kollegen belauscht. Der Kollege meldet den Sachverhalt, es werden Ermittlungen begonnen, in deren Zug auch Interviews mit den Einkaufsmitarbeitern geführt werden. Sofern es, wie hier, das Ziel der Interviews ist, den Kreis der potenziellen involvierten Personen festzustellen, sind bei der Befragung der einzelnen Mitarbeiter aus dem Einkauf Überlegungen voranzustellen, inwieweit weitere Mitarbeiter ggfs. aus anderen Fachabteilungen involviert sein könnten und in welchen Spannungsverhältnissen die Abteilungen im Rahmen der Prozessabläufe zueinander stehen. Die Struktur des Interviews sowie die Abfolge der Befragten orientiert sich hier hauptsächlich am Tätigkeitsfeld der Befragten.

Im zweiten Schritt sollte eine Überprüfung dahingehend erfolgen, ob es spezifische unternehmensinterne Richtlinien oder anderweitige interne Regelungen bezüglich der Durchführung von unternehmensinternen Ermittlungen und der Durchführung von Interviews gibt, und wenn ja, in welcher Form diese Anwendung finden. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, dass unternehmensspezifische Vorgaben oder Gepflogenheiten – sofern sie nicht im Widerspruch zum Untersuchungsweck oder gar geltendem Recht stehen – eingehalten bzw. berücksichtigt werden. Dies beinhaltet auch, die Vorabklärung der Zuständigkeit für die Durchführung von Interviews im Rahmen interner Ermittlungen und die Prüfung der Frage wer ggfs. zwingend (vorab) zu involvieren ist, wie z.B. ein Betriebsrat. Es sollte vorab auch geprüft werden, ob und in welchem Umfang zu Beginn des Interviews eine Belehrung zu erfolgen hat und welche sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten sind (wie z.B. der Beistand eines Rechtsanwalts auf Seiten des Befragten oder das Hinzuziehen einer Vertrauensperson aus dem Unternehmen).

Zudem ist zu klären, welche anderen Personen (z.B. Compliance Officer oder Mitarbeiter aus der Fachabteilung) am Interview teilnehmen sollten. Dies gilt selbstverständlich für die Besetzung des Ermittlungs-/Interviewteams und deren Rollen insgesamt. Hierbei sind auch die Voraussetzungen eines möglichen Beschlagnahmeschutzes zu berücksichtigen. Grundsätzlich erscheint es ratsam, dass auf Seiten der Befragenden nicht mehr als drei Personen stehen. Ggf. sollte ein Muttersprachler eingeschaltet werden, um etwaige sprachliche Hürden zum Interviewten zu überwinden. Dies fördert, Missverständnisse zu vermeiden und eine möglichst angenehme Interviewsituation zu schaffen.

 

Durchführung des Interviews und Fragetechniken

Bei der Durchführung des Interviews ist insbesondere zu beachten, dass es sich lediglich um eine Mitarbeiterbefragung und nicht um eine behördliche Vernehmung handelt; dem Ermittlungs-/Interviewteam stehen im Rahmen einer internen Untersuchung keine hoheitsrechtlichen Befugnisse zu.

Obgleich beide Methoden der Wahrheitsfindung dienen, unterscheiden sie sich in atmosphärischer und rechtlicher Hinsicht: Bei der Mitarbeiterbefragung steht dem Mitarbeiter oder Angehörigen anders als den in § 53 StPO genannten Personenkreis – nach herrschender, wenngleich umstrittener Meinung – im Gegensatz zum Beschuldigten selbst kein Zeugnisverweigerungsrecht zu.

Generell sollte bei einem Interview darauf geachtet werden, dass der als Zeuge befragte Mitarbeiter in einer für ihn entspannten Atmosphäre befragt wird, da ein gutes Gesprächsklima elementar für den positiven und konstruktiven Verlauf der Mitarbeiterbefragung ist. Um eine positive Atmosphäre herzustellen und aufrechtzuerhalten ist es daher auch ratsam, wenn der Befragende – insbesondere durch Stimme und Intonation, Ruhe und Gelassenheit zum Ausdruck bringt. Um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, kann es zudem hilfreich sein, dem Befragten zu Beginn der Befragung ein Getränk anzubieten, um hierdurch Interesse an seinem Wohlergehen zu signalisieren. Anders mag es sich bei der Vernehmung Beschuldigter darstellen: Je nach Beweislage kann hier eine härtere Gangart eher zum Erfolg führen.

Bei der Durchführung des Interviews sollte die sogenannten „80:20“-Regel beachtet werden: Der Befragte spricht überwiegend, während der Befragende aktiv zuhört und bewusst die Antworten und das Verhalten des Befragten, inklusive seiner Körpersprache, wahrnimmt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Durchführung der Mitarbeiterbefragung ist das Stellen konkreter, zielführender Fragen im jeweiligen Kontext. Um klare Antworten zu bekommen, sollte jeweils nur eine Frage zur gleichen Zeit gestellt werden. Die Fragen sollten dem inhaltlichen Ziel des Interviews entsprechen. Bei der Art der Fragen unterscheidet man zwischen offenen und geschlossenen Fragen. Geschlossene Fragen haben in der Regel nur eine „ja/nein“- Antwortmöglichkeit. Offene Fragen hingegen dienen als breitere Impulsgeber, auf die der Befragte freier und deskriptiv antworten kann. Die Menge der auf offenen Fragen hin erhaltenen Informationen ist daher in der Regel deutlich höher als bei Antworten auf geschlossene Fragen. Eine Kombination beider Fragetypen ist möglich und sinnvoll, und es kann als Zwischenerfolg des Interviews bewertet werden, wenn der Mitarbeiter bei offenen Fragen in den Antworten frei, zusammenhängend und ausführlich spricht. Mein persönliches Motto hierzu lautet: „Walk the talk and let the interviewee talk the walk“.

Je nach Dauer und Verlauf des Gesprächs kann es sinnvoll sein, Pausen einzulegen. Das bewusste Einstreuen von längeren Pausen zwischen abgrenzbaren, zu klärenden Themenpunkten ist ggf. hilfreich, um dem Befragten Momente zum Ausruhen zu gönnen, um ihn dadurch auch zu animieren, weitere Informationen für die Aufklärung zu erwähnen oder beizusteuern. Andererseits sollte darauf geachtet werden, das Gespräch nicht ohne erkennbaren Grund zu unterbrechen. Aus diesem Grund sollten Pausen rechtzeitig und explizit kommuniziert werden. Stets gilt, dass der Gesprächsfluss im Vordergrund stehen sollte und ein günstiges Momentum nicht – auch nicht durch Pausen – unterbrochen werden sollte. Dies gilt insbesondere bei kontroversen Befragungen, z.B. von Beschuldigten.

Am Ende eines Interviews sollte dem Befragten für seine Teilnahme am Interview gedankt werden und auf diese Weise Wertschätzung für eine hoffentlich offene Teilnahme am Interview zum Ausdruck gebracht werden. Der Mitarbeiter sollte, wenn möglich, mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch gehen. Er sollte zudem darauf hingewiesen werden, dass er sich jederzeit wieder mit dem Ermittlungs-/Interviewteam in Verbindung setzen kann, wenn ihm beispielsweise nachträglich noch Informationen einfallen, die der Sachverhaltsaufklärung dienlich sein könnten. Es ist nicht im Interesse des Unternehmens, wenn ein Interview „verbrannte Erde“ hinterlässt.