Gesetzesentwurf zur Änderung des Umweltstrafrechts durch Umsetzung der „Ökozid“-Richtlinie

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlichte am 17. Oktober 2025 einen Referentenentwurf zur Änderung des Umweltstrafrechts durch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1203 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt und zur Ersetzung der Richtlinien 2008/99/EG und 2009/123/EG. Mit der sogenannten „Ökozid“-Richtlinie vom 11. April 2024 sollen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Umweltstraftaten und die Verhängung von Strafen zum effektiven Schutz der Umwelt sowie zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 13 der Vereinigten Nationen-Agenda 2030 geregelt werden (hierzu hatten wir bereits berichtet). Der Umsetzung dieser Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten wie Deutschland nach Art. 28 Abs. 1 bis zum 21. Mai 2026 nachkommen. Im Folgenden werden nur die Änderungen und Ergänzungen im Strafgesetzbuch (StGB) und im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) behandelt, soweit Umsetzungsbedarf besteht.

Umsetzung der Straftatbestände

Viele Vorgaben der Richtlinie sind im deutschen Strafrecht bereits in den §§ 324 ff. StGB sowie in Tatbeständen des Nebenstrafrecht enthalten. Die wesentlichen Neuerungen ergeben sich insbesondere daraus, dass zahlreiche Straftatbestände künftig als Eignungsdelikte auszugestalten sind. Hinzu kommen die Einführung der „Einleitung, Abgabe oder Einbringung von Energie“ als Tathandlung sowie des Begriffs „Ökosystem“ als eigenständiges Umweltmedium. Zudem sollen Qualifikationstatbestände im Falle katastrophaler Auswirkungen auf die Umwelt (Ökozid) und Versuchsstrafbarkeit (neu in § 325a Abs. 2 S. 2 und § 327 Abs. 3 StGB-E) geschaffen werden. Auch die von der Richtlinie vorgegebenen Mindesthöchststrafen machen in vielen Fällen eine Anhebung des deutschen Strafrahmens erforderlich. Dagegen war die grobe Fahrlässigkeit bereits in allen relevanten umweltstrafrechtlichen Vorschriften des StGB enthalten, sodass dort nur geringfügige Anpassungen notwendig waren.

Neue Straftatbestände betreffen vor allem das Inverkehrbringen umweltgefährdender Produkte, die Durchführung von umweltverträglichkeitspflichtigen Projekten ohne Genehmigung sowie Handlungen in Bezug auf invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung. Eine ausführlichere Auflistung findet sich bereits hier.

Ergänzung um das Merkmal „Ökosystem“

Das Ökosystem soll nunmehr in § 330d Abs. 1 Nr. 2 StGB-E definiert werden und meint „ein ökologisch bedeutendes, komplexes, dynamisches Wirkungsgefüge von Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismengemeinschaften und ihrer abiotischen Umwelt in einer funktionellen Einheit, die Lebensraumtypen, Lebensräume von Arten und Artenpopulationen umfasst“. Der Begriff „Ökosystem“ wird in folgenden Normen ergänzt:

  • § 309 Abs. 6 Nr. 4 StGB-E (Missbrauch ionisierender Strahlen)
  • § 311 Abs. 1 und 3 StGB-E (Freisetzen ionisierender Strahlen)
  • § 324a Abs. 1 Nr. 1 StGB-E (Bodenverunreinigung)
  • § 325 Abs. 1 Nr. 3 StGB-E (Luftverunreinigung)
  • § 325a Abs. 2 StGB-E (Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen)
  • § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. b und Abs. 6 StGB-E (Unerlaubter Umgang mit Abfällen)
  • § 327 Abs. 2 S. 1 und S. 2 StGB-E (Unerlaubtes Betreiben von Anlagen)
  • § 327a StGB-E (Unerlaubte Ausführung von Vorhaben)
  • § 328 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 StGB-E (Unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen und anderen gefährlichen Stoffen und Gütern)
  • §§ 330 Abs. 2 Nr. 1 StGB-E (Qualifikation)
  • §§ 330d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 StGB-E (Begriffsbestimmungen)

Weitere Anpassungen bestehender Tatbestände

Die Richtlinie beschränkt zudem Strafbarkeiten wegen Verstößen gegen das Umweltverwaltungsrecht auf „erhebliche“ Schäden, allerdings in der Form des potenziellen Gefährdungsdelikts (Eignungsdelikt). Die erheblichen Schäden müssen dann nicht eingetreten sein, sondern die Tathandlung muss nur dazu geeignet sein, erhebliche Schäden hervorzurufen Deshalb müssen teilweise Strafvorschriften von konkreten Gefährdungsdelikten zu potenziellen geändert werden – so in § 325 a Abs. 2 StGB-E, § 326 Abs. 1 Nr. 4 lit. b StGB-E, § 327 Abs. 2 Nr. 3 S. 1 StGB-E sowie in § 328 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 StGB-E. In anderen Vorschriften, wie in § 324 Abs. 1 und § 324a Abs. 1 StGB-E, werden dahingegen die Erfolgsdelikte beibehalten, da anderweitig geringere Voraussetzungen vorgeschrieben sind.

Zu § 324 Abs. 1 S. 1 StGB (Gewässerverunreinigung) soll des Weiteren ein zweiter Satz hinzugefügt werden, der das Merkmal der „Entnahme“ ergänzt. Dies soll klarstellen, dass auch Absenkungen, die das Gewässer nicht trockenlegen, zu den Tathandlungen gehören. Minimale Verunreinigungen oder Veränderungen sollen nach wie vor nicht strafbar sein, um strafbares Verhalten von den Bußgeldtatbeständen abzugrenzen.

Neuerdings soll auch eine umweltbezogene Produkthaftung Einzug in das StGB halten. Der Straftatbestand des verwaltungsrechtswidrigen Inverkehrbringens von bestimmten umweltschädigenden Erzeugnissen ist für das europäische und das deutsche Strafrecht von großer Bedeutung, da sie in großem Umfang Umweltschäden bedingen können. Wegen des Immissionserfordernisses bietet es sich an, keine neue Strafvorschrift zu schaffen, sondern die umweltbezogene Produkthaftung in die §§ 324, 324a und 325 StGB-E aufzunehmen. Zudem sollen in § 324a StGB-E und § 325a StGB-E die Emissionen „Geräusche“, „Erschütterungen“, „thermische Energie“ und „nichtionisierende Strahlen“ ergänzt werden.

Die Luftverunreinigung in § 325 StGB-E wird umfassend neu geregelt und erfährt eine Verschlankung. Vor allem wird auf die Voraussetzung „beim Betrieb einer Anlage“ und auf den Tatbestandsausschluss für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge verzichtet. Das BMJ argumentiert, dass trotz Streichung des Tatbestandsausschlusses keine Überkriminalisierung des Verkehrs drohe, da immer eine Verwaltungsakzessorietät vorliegen müsse und das Tatbestandsmerkmal „Herbeiführung erheblicher und nachhaltiger Schäden“ mit Fahrzeugen schwierig zu erfüllen sei.

Mit § 327a StGB-E soll zudem eine vollkommen neue Strafvorschrift geschaffen werden, die richtliniengetreu die unerlaubte Ausführung von Vorhaben ohne Genehmigung unter Strafe stellt. § 327 StGB ist nämlich bisher nur auf Vorhaben beschränkt, bei denen im Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine entsprechende Vorprüfung schon erforderlich gewesen wäre. § 327a StGB-E wendet sich damit vor allem an große industrielle Vorhaben und Anlagen, die erhebliche Schäden an Tieren, Pflanzen, Gewässern, der Luft, dem Boden oder einem Ökosystem herbeiführen können.

Die Richtlinie stellt auch die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt, die mit einer Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, und ihre Ausfuhr aus der Union sowie zur Entwaldungsverordnung normierte Verkehrs-, Bereitstellungs- oder Ausfuhrverbot von bestimmten Rohstoffen und Erzeugnissen unter Strafe. Es sei jedoch noch ungewiss, ab wann Artikel 3 der Entwaldungsverordnung gelte. Die Umsetzung der zugehörigen Strafbewehrung soll daher einem gesonderten Vorhaben vorbehalten bleiben.

Ökozid als Qualifikation und neue Strafrahmen

In § 330 Abs. 2 StGB-E (und auch § 311 Abs. 3 StGB-E) sollen weitere qualifizierte Straftaten aufgenommen werden. Nach Erwägungsgrund 21 der Richtlinie sollen hierbei die Folgen einer vorsätzlich begangenen Umweltstraftat, die katastrophale Ausmaße annehmen und mit einem Ökozid vergleichbar sind, qualifiziert strafbar sein.

Der Entwurf des § 330 StGB-E orientiere sich dabei an der englischen Fassung des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie, welche zwischen Ökosystemen und Habitaten auf der einen und der Wasser-, Boden- und Luftqualität auf der anderen Seite unterscheide, während die deutsche Übersetzung zwischen “Zerstörung” und “Schädigung” differenziere. Um den Anforderungen der Richtlinie gerecht zu werden, sollen Teile des bisherigen Regelbeispiels aus § 330 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB in die Qualifikationstatbestände in Abs. 2 verschoben werden. Zusätzlich aufgenommen werde das Umweltmedium „Luft“, die Zerstörung oder irreversible oder dauerhafte weitreichende und erhebliche Schädigung eines Ökosystems von beträchtlicher Größe oder beträchtlichem ökologischen Wert oder eines Lebensraums innerhalb eines geschützten Gebiets.

Was unter einem Ökozid im Einzelnen jedoch zu verstehen ist und welche konkreten Handlungen darunterfallen, ist derzeit noch unklar und wird sich erst durch künftige Rechtsprechung herausbilden.

Die Verweise zur tätigen Reue in § 330b Abs. 1 StGB auf § 325a Abs. 2 bzw. Abs. 3 Nummer 2 StGB sollen außerdem gestrichen werden. Aufgrund der neuen Struktur des § 325a Abs. 2 StGB-E würde es zu weit gehen, den Betreiber einer Anlage schon durch Beenden der Tathandlung in den Genuss der Strafmilderung oder gar Straflosigkeit gelangen zu lassen.

Zur Umsetzung der Richtlinie sieht der Gesetzesentwurf für einige vorhandene Tatbestände des Weiteren eine Anhebung des Strafmaßes vor, etwa in § 326 Abs. 2 und 3 StGB, § 327 Abs. 2 StGB und § 330 Abs. 2 StGB-E. In einigen Fällen wurde die Freiheitsstrafe auf einen Rahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren erhöht, weil das deutsche Strafrecht die in der Richtlinie genannten Strafrahmenobergrenze von acht Jahren nicht kennt.

Verbandsgeldbußen

Außerdem soll § 30 Abs. 2 S. 1 OWiG geändert werden, indem das Höchstmaß des Bußgelds gegen juristische Personen und Personenvereinigungen angehoben wird. Die Richtlinie macht Vorgaben zur Höhe des mindestens vorzusehenden Höchstmaßes der Verbandsgeldbuße im Falle vorsätzlich begangener Umweltstraftaten, überlässt den Mitgliedstaaten aber die Entscheidung, ob sie als Höchstmaß einen festen Geldbetrag vorsehen oder das Höchstmaß umsatzbezogen und damit flexibel ausgestalten (Erwägungsgrund 33). Das OWiG folge hierbei dem erstgenannten Ansatz mit einer Bußgeldobergrenze von EUR 10,0 Mio. und zumindest an der Systematik einer festen Obergrenze  soll aus Sicht des deutschen Gesetzgebers festgehalten werden.

Der Entwurf sieht deshalb folgende Erhöhung des Höchstmaßes vor:

  • im Falle einer vorsätzlichen Straftat EUR 40,0 Mio. anstelle von EUR 10,0 Mio.
  • im Falle einer fahrlässigen Straftat EUR 20,0 Mio. anstelle von EUR 5,0 Mio.

Der Entwurf geht dabei in dreifacher Hinsicht über die Richtlinie hinaus:

  • Erstens werden bei den vorsätzlichen Straftaten alle vorsätzlichen Umweltstraftaten erfasst, nicht nur bestimmte. Die Richtlinie sieht nur für bestimmte Verstöße einen Höchstrahmen von EUR 40,0 Mio. vor. Für andere Umweltstraftaten ist in der Richtlinie nur ein (Mindest-) Höchstmaß von EUR 24,0 Mio. vorgesehen.
  • Zweitens gilt die Erhöhung für alle sonstigen vorsätzlichen Straftaten, nicht nur für Umweltstraftaten. Durch die allgemeine Anhebung des Höchstbetrags sollen Wertungswidersprüche und eine „Zerfaserung“ des Sanktionsrahmens vermieden werden.
  • Drittens wird ebenfalls der Höchstbetrag für Verbandsgeldbußen im Falle einer fahrlässigen Straftat angehoben, obwohl dies in der Richtlinie nicht gefordert wird. Traditionell beträgt das Höchstmaß bei fahrlässigen Straftaten die Hälfte des Höchstmaßes für vorsätzliche Straftaten, vergleiche auch § 17 Abs. 2 OWiG. Diese Systematik wird in § 30 OWiG beibehalten.

Durch die Anhebung der Höchstbeträge für Verbandsgeldbußen bei Straftaten von Leitungspersonen soll zudem ein Ungleichgewicht im geltenden Recht gemildert werden. Derzeit können bei Ordnungswidrigkeiten zum Teil höhere Bußen verhängt werden als bei Straftaten, etwa bei Kartellbußgeldern oder Verstößen gegen das GwG, wo Geldbußen bis zu 10 % bzw. 5 % des Jahresgruppenumsatzes möglich sind. Die Folgen für den Verband sollten jedoch nicht schwerer sein, wenn eine Leitungsperson eine Ordnungswidrigkeit statt einer Straftat begeht.

Fazit

Ein zentrales Element des Entwurfs ist die Einführung neuer Begriffe und Tatbestände, darunter das „Ökosystem“ als eigenständiges Umweltmedium sowie der „Ökozid“ als Qualifikation. Darüber hinaus sieht der Entwurf eine deutliche Anhebung der Sanktionen gegenüber Einzelpersonen und auch Unternehmen. So werden Strafrahmen anderem auf bis zu zehn Jahre erhöht, ebenso wie die Verbandsgeldbußen. Insgesamt zeigt sich, dass der Entwurf nicht nur die Anforderungen der EU-Richtlinie erfüllen möchte, sondern sie mehrfach übertrifft. Das scheint aber vor allem der Systematik des deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts geschuldet zu sein. Innerhalb des Bestrebens, diese Systematik beizubehalten, wurde eine minimale Umsetzungslösung gewählt.

Dabei vergibt der deutsche Gesetzgeber eine Chance, die Systematik der Verbandssanktion in § 30 OWiG umfassend neu zu regeln. Es bleibt das Ungleichgewicht, dass bei großen, umsatzstarken Unternehmen weiterhin viele Ordnungswidrigkeiten mit einer deutlich höheren Sanktion belegt werden können als aus dem Unternehmen heraus begangene Straftaten, beispielsweise Verstöße gegen das Geldwäscherecht oder Datenschutzverstöße. Denn die hierfür fälligen Bußgelder werden prozentual nach dem Umsatz bemessen und kennen keine starre Obergrenze. Es hätte mit der Umsetzung zwar keinen Wiederanlauf für ein Verbandsanktionengesetz gebraucht, aber eine Regelung, die insbesondere umfassende Verteidigungsrechte des Unternehmens und Leitlinien für die Zusammenarbeit des Unternehmens mit Ermittlungsbehörden vorsieht, wäre wünschenswert gewesen.

Der Entwurf wurde vom Bundesjustizministerium an die Länder und Verbände übermittelt, sodass diese bis zum 14. November 2025 Stellung nehmen können. Daraufhin soll der überarbeitete Entwurf vom Bundeskabinett beschlossen und in den Bundestag eingebracht werden. Es wird zu beobachten sein, welche Änderungen und möglichen Einschränkungen die unterschiedlichen Akteure fordern werden und letztlich in das Umsetzungsgesetz aufgenommen werden.