Aktuelles von Pohlmann & Company

15.08.2019

Das Walmart FCPA-Settlement

Ein Weckruf zur Integration von Compliance-Systemen auch bei Expansionen

Zusammenfassung

In einem mit den US-amerikanischen Behörden geschlossenen Vergleich hat sich Walmart Inc. („Walmart“) bereit erklärt, mehr als USD 280 Mio. zur Beendigung von langjährigen Ermittlungen gegen das Unternehmen zu zahlen. Die Ermittlungen resultieren aus Verletzungen des US Foreign Corrupt Practices Act („FCPA“). Auslöser der Untersuchungen waren Zahlungen von Walmart an Mittelsmänner in Brasilien zur Erlangung von Baugenehmigungen sowie das Versäumnis von Walmart, in seinen neuen Tochtergesellschaften in Brasilien, China, Indien und Mexiko angemessene Anti-Korruptionsrichtlinien sowie ausreichende und effektive interne Kontrollen einzuführen. Der Fall Walmart ist ein überaus relevantes Beispiel dafür, wie wichtig die Integration von Compliance-Systemen insbesondere bei der Expansion in neue Märkte ist, um Verstöße gegen den FCPA und daraus möglicherweise resultierende Sanktionen zu vermeiden.

 

Sachverhalt

Am 20. Juni 2019 hat Walmart mit dem US Department of Justice („DOJ“) und der US Securities and Exchange Commission („SEC“) einen Vergleich abgeschlossen, um die ursprünglich wegen Verstößen gegen den FCPA eingeleiteten und bereits seit mehreren Jahren andauernden Ermittlungen gegen das Unternehmen zu beenden. Im vorliegenden Vergleich hat Walmart die Vorwürfe anerkannt und sich zudem bereit erklärt, eine Summe von USD  282,7 Mio. als Strafe für die Verletzung von Buchführungsvorschriften sowie die mangelnde Umsetzung interner Kontrollen nach dem FCPA und des Securities Exchange Act durch seine Tochtergesellschaften in Mexiko, Indien, China und Brasilien zu zahlen.

Gemäß dem „Statement of Facts“ gab es in zuvor genannten Walmart-Tochtergesellschaften von 2000 bis 2011 kein angemessenes, korruptionsbezogenes internes Kontrollsystem. Zudem hatte es Walmart versäumt, bestehende Korruptionsrisiken ausreichend zu untersuchen bzw. zu mindern. Aufgrund dieses Versäumnisses war es den vorgenannten Tochtergesellschaften möglich, Mittelsmänner einzuschalten, die ausländische Amtsträger bestochen haben, um Baugenehmigungen und andere Lizenzen zu erhalten. Durch das Nichtvorhandensein konkreter Kontrollen war es möglich, dass Zahlungen entgegen dem vermeintlichen Verwendungszweck geleistet wurden.

 

Anmerkungen

Eines der wesentlichen Probleme im Fall Walmart war die schnelle Expansion in Länder mit hohem Korruptionsrisiko ohne die Konzeption und Implementierung angemessener Maßnahmen zur Vermeidung von Korruption. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt des DOJ, Benczkowski, erklärte hierzu, dass in „zahlreichen Fällen leitende Walmart-Mitarbeiter von Fehlern ihrer korruptionsbezogenen internen Kontrollen, die sich auch auf ausländische Tochtergesellschaften bezogen, wussten, und Walmart es dennoch jahrelang versäumt hat, ausreichende Kontrollen gemäß den US-amerikanischen Strafrechtsvorschriften einzuführen„.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das DOJ und die SEC in den Vergleichsvereinbarungen zu dem Schluss gekommen sind, dass ein dezentral organisiertes Compliance-System eine Schwachstelle des internen Kontrollsystems darstellen kann.

Das Walmart DPA führt hierzu aus: „Am oder um den 6. April 2009 gab Walmart International die Gründung eines Walmart International Compliance Office bekannt, um den bestehenden Antikorruptionsstandard zu überarbeiten. Das Konzept für den neuen Standard lautete ‘Freiraum innerhalb bestimmter Grenzen’. Anstatt einen zentralen Ansatz zu verfolgen, um sicherzustellen, dass in allen ausländischen Tochtergesellschaften von Walmart ausreichende interne Kontrollen zur Korruptionsbekämpfung implementiert werden, erlaubte der neue Standard es den einzelnen Märkten, ein eigenes Programm zu entwerfen und umzusetzen, solange es bestimmte globale Standards erfüllte.

Ähnlich verhält es sich in der Walmart Order der SEC: „Im April 2009 teilte Walmart seinen ausländischen Tochtergesellschaften mit, dass demnächst Antikorruptionsstandards erlassen würden, die flexibler, einfacher und schneller umzusetzen seien. Anstatt einen zentralisierten Ansatz zu verfolgen, müsste jedes Land sein eigenes Programm auf der Grundlage des Standards entwickeln. Am oder um den 11. Juni 2009 hat Walmart den 10 Tochtergesellschaften ein einseitiges Dokument mit dem Titel ‘Global Anti-Corruption Standards’ übermittelt, dass 1) den FCPA zusammenfasst, 2) bestätigte, dass Walmart Amtsträgern in bestimmten Fällen Geschenke, Mahlzeiten, Reisen und Bewirtungen anbieten kann, 3) klarstellte, dass die Standards auf TPIs Anwendung finden, und 4) die Kontaktinformationen für das globale Ethikbüro des Unternehmens enthielt. Die Märkte wurden angewiesen, risikobasierte interne Rechnungslegungskontrollen, -verfahren und -schulungen zu konzipieren und umzusetzen, um die Einhaltung der Standards sicherzustellen.“

 

Welche Lehren sind aus dem Fall Walmart zu ziehen?

Der Fall Walmart zeigt einmal mehr, dass es nicht ausreichend ist, Pro-forma-Maßnahmen zu ergreifen, wenn es um die Implementierung von Compliance-Systemen in Konzerngesellschaften geht. Dies gilt sowohl bei der organischen Expansion durch die Gründung von Tochtergesellschaften in neuen Märkten als auch bei Unternehmenskäufen oder der Gründung von Joint Ventures mit Dritten.

Die Analyse der bestehenden und gegebenenfalls zukünftigen erforderlichen Komponenten eines angemessenen Compliance-Systems muss auf jede Transaktion individuell zugeschnitten sein und die Besonderheiten und Anforderungen des jeweiligen Unternehmens berücksichtigen. Sofern dies möglich ist, sollte vor Abschluss einer jeden solchen Transaktion eine angemessene Compliance Due Diligence durchgeführt und die anschließende Integration des Compliance-Systems in das neue Konzernunternehmen frühzeitig geplant werden. In jedem Fall sollte jedoch eine umfassende Compliance-Analyse und -Integration spätestens nach dem Abschluss der Transaktion durchgeführt werden.

Eine ordnungsgemäße Compliance-Integration sollte unter anderem die folgenden Maßnahmen umfassen:

  • Im Falle des Erwerbs eines Unternehmens sollte – sofern der Zugang zu bestimmten Dokumenten vor dem Closing aufgrund lokaler rechtlicher Beschränkungen oder den Transaktionserfordernissen nicht möglich war – eine Compliance Due Diligence unverzüglich nach dem Closing abgeschlossen werden. Die „Post-Completion“ Due Diligence sollte frühzeitig geplant und vorbereitet werden, damit diese frühestmöglich abgeschlossen und mit der Umsetzung geeigneter Abhilfemaßnahmen unverzüglich begonnen werden kann.
  • In der neuen Tochtergesellschaft sollte ein Compliance-Management-System implementiert werden. Dieses sollte in einem ersten Schritt zumindest die Einführung relevanter Richtlinien (welche die Risiken des Unternehmens und die lokalen rechtlichen Besonderheiten berücksichtigen sollten) und die Durchführung umfassender Compliance-Schulungen für die Führungsebene und sonstige Mitarbeiter, insbesondere solcher, die Kontakt zu Amtsträgern haben oder ähnlichen Risiken ausgesetzt sind, umfassen.
  • Interne Kontrollen, die der Aufdeckung oder Verhinderung von Verstößen gegen Anti-Korruptions-, Anti-Geldwäsche- oder andere relevante Gesetze dienen, sollten bei der neuen Tochtergesellschaft überprüft und/oder angepasst bzw. neu implementiert werden.
  • Sofern die neue Tochtergesellschaft Geschäftsbeziehungen zu Mittelsmännern und anderen Dritten, die befugt oder verpflichtet sind, im Namen der Gesellschaft zu handeln, unterhält, sollten diese Beziehungen eingehend überprüft werden. Sofern eine solche Überprüfung zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten führt, sollten unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergriffen werden, die bis zu einer Beendigung der Geschäftsbeziehung reichen können.
  • Nach Abschluss aller erforderlichen Ad-hoc-Maßnahmen sollte zeitnah eine umfassendere Risikoanalyse und eine interne Revision durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass zum einen alle erforderlichen Richtlinien wirksam umgesetzt wurden und auch tatsächlich angewendet werden. Zum anderen sollten hierdurch weitere Schwachstellen ermittelt werden, die zusätzliche Schulungen oder andere Verbesserungen erfordern. Generell sollten solche Prüfungen zukünftig regelmäßig – basierend auf dem Risikoprofil der entsprechenden Gesellschaft – durchgeführt werden.

 

Schlussfolgerungen

Nicht nur im Falle eines Unternehmenskaufs, sondern auch bei der Expansion in neue Märkte müssen Unternehmen sicherstellen, dass bei ihren neuen Tochtergesellschaften angemessene und effektive Compliance-Systeme implementiert werden. Abhängig von der Konzernstruktur und dem individuellen Risikoprofil dieser Tochtergesellschaften kann ein dezentrales, lokal gesteuertes Compliance-System als unzureichend angesehen und nach Auffassung der US-Behörden sogar als eine Schwachstelle des internen Kontrollsystems qualifiziert werden.

Aus diesem Grund sollte mit der Planung und Vorbereitung der Compliance-Integration so früh wie möglich begonnen werden. Um den Eintritt in neue Märkte erfolgreich zu gestalten, sollten nicht nur rechtliche und finanzielle Fragen bei der frühzeitigen Planung einer Transaktion eine Rolle spielen, sondern auch Compliance-Themen.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die neuen Richtlinien des DOJ (Evaluation of Corporate Compliance Programs (aktualisiert im April 2019, siehe hierzu auch unseren Beitrag)) explizit darauf verweisen, dass ein „gut konzipiertes Compliance-Programm eine umfassende Due Diligence der Zielgesellschaften beinhalten sollte„. Zudem ist nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen, dass aufgrund des geplanten Unternehmenssanktionsrechts in Deutschland diese – bisher sehr amerikanischen – Grundsätze und Risiken auch in Deutschland immer wichtiger werden.

 

Links

Die „Walmart Criminal Information“ kann hier heruntergeladen werden.

Das „Walmart Judgement“ kann hier heruntergeladen werden.

Das „Walmart Nonprosecution Agreement“ kann hier heruntergeladen werden.

Das „Walmart Plea Agreement and Statement of Facts“ kann hier heruntergeladen werden.

Die „SEC order“ kann hier heruntergeladen werden.