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11.12.2023

Compliance und Sport – Ein riskantes Spiel? Zu den Strafbarkeitsrisiken bei Einladungen von Geschäftspartnern in eine Stadion-Lounge

Die UEFA-Fußball-Europameisterschaft der Männer wird 2024 in Deutschland ausgetragen werden. Dieses Event nehmen Unternehmen weiterhin zum Anlass, ihre Geschäftspartner in Lounges in den Stadien einzuladen. Behördliche Ermittlungen, insbesondere im Nachgang der FIFA WM 2006, haben aber gezeigt, dass hier erhebliche Risiken bestehen. Das Bewusstsein für diese Risiken ist in der Zeit seitdem zwar erheblich gewachsen, gleichermaßen aber auch die Verfolgungsbereitschaft der Ermittlungsbehörden. Und auch wenn eine korrupte Absicht häufig nicht nachweisbar sein wird, kann allein der Umstand, dass ermittelt wird, rufschädigend sein. Deshalb bleibt es wichtig, diesem Thema präventiv zu begegnen und bereits den Anschein möglicher Korruption zu verhindern. Unter welchen Voraussetzungen eine Einladung in eine Stadion-Lounge zulässig sein kann, soll folgender Beitrag zeigen.

 

Problemaufriss: Bestechung bzw. Vorteilsgewährung

Ausgangspunkt ist der Straftatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) bzw. Vorteilsgewährung gegenüber Amtsträgern (§ 333 StGB). Tatbestandsvoraussetzung beider Delikte ist stets ein Vorteil, der einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens bzw. einem Amtsträger oder Dritten gewährt wird.

Als Vorteil kommt jede Besserstellung in Betracht, die einen wirtschaftlichen, persönlichen oder ideellen Wert hat, ohne dass der Empfänger hierauf einen Anspruch hat. Dabei existieren für einen Vorteil weder feste gesetzliche Wertgrenzen, noch werden solche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegt. Daher kann auch die Gewährung geringwertiger Zuwendungen ein Vorteil sein und den Tatbestand erfüllen. In jedem Fall muss der Wert des Vorteils aber zur Beeinflussung geeignet sein. Da Eintrittskarten für ein entgeltpflichtiges EM-Fußballspiel einen Vermögenswert haben, sind sie als Vorteil anzusehen.

 

Gegenleistung für den Vorteil

Zur Erfüllung der Straftatbestände muss der Vorteil als Gegenleistung angeboten werden (sog. Unrechtsvereinbarung). Als Gegenleistung im geschäftlichen Verkehr muss eine Bevorzugung im Wettbewerb oder eine interne Pflichtverletzung vorliegen. Als Bevorzugung im Wettbewerb ist etwa jedes Besserstellen gegenüber potenziellen Wettbewerbern erfasst, wie bessere Konditionen bei Verträgen oder die generelle Vergabe von Aufträgen an den Zuwendenden. Dabei stellt ein enger zeitlicher Zusammenhang zu einer konkreten geschäftlichen Entscheidung ein wesentliches Indiz dafür dar, dass dies als Gegenleistung für eine Zuwendung dient.

Bei Zuwendungen an Amtsträger genügt für die Tatbestandserfüllung als Gegenleistung die bloße Dienstausübung des Amtsträgers. Anders als bei den Tatbeständen der Bestechung bzw. Bestechlichkeit (§§ 332, 334 StGB), die eine – konkretere – Diensthandlung erfordern, genügt nach der Rechtsprechung bereits eine dienstliche Tätigkeit, die nach den Vorstellungen des Zuwendenden noch nicht einmal in groben Umrissen konkretisiert sein muss. Auch die bloße Klima- und Kontaktpflege des Amtsträgers ist demnach geeignet, den Straftatbestand zu erfüllen. Dass dies in der Annahme der Einladung zu einem Fußball-Großereignis der Fall ist, zeigte nicht zuletzt der Fall des damaligen EnBW-Vorstandes Utz Claaßen, der den baden-württembergischen Landesminister zu Spielen der FIFA WM 2006 eingeladen hatte (BGH, Urt. v. 14.10.2008 – 1 StR 260/08). Bei der Einladung von Amtsträgern müssen deshalb besonders strenge Maßstäbe gelten.

 

Wesentliche Aspekte, die bei Einladungen zu berücksichtigen sind

  • Empfänger des Vorteils

Wie aufgezeigt gelten bei Einladungen von Amtsträgern strengere Maßstäbe als bei solchen von Vertretern privatwirtschaftlicher Unternehmen. Amtsträger können in engen Grenzen zu Repräsentationszwecken eingeladen werden, sofern ihr Amt kein Bezug zur Geschäftstätigkeit des Einladenden aufweist.

 

  • (Dritt-)Vorteil

Eine Einladung in eine Lounge ist ein Vorteil, der – berechnet auf den einzelnen Gast – von erheblichem materiellem Wert ist. Auch Drittvorteile sind von den Straftatbeständen erfasst, und zwar selbst dann, wenn der Vorteil an den Arbeitgeber bzw. die Anstellungskörperschaft des Eingeladenen gerichtet ist. In diesem Fall ist aber die Gefahr der möglichen persönlichen Beeinflussung geringer.

 

  • Unrechtsvereinbarung

Zur Erfüllung des Straftatbestandes bedarf es einer Gegenleistung, die für den Vorteil gewährt wird. Da sich diese Unrechtsvereinbarung in den seltensten Fällen deutlich nachweisen lässt, wird anhand von äußeren Kriterien darauf geschlossen, dass eine Gegenleistung zumindest erwartet wird. Zu diesen äußeren Kriterien zählen etwa die Heimlichkeit oder fehlende Transparenz, die direkte Beteiligung des Eingeladenen an Geschäftsentscheidungen, ein enger zeitlicher Zusammenhang zu diesen Entscheidungen sowie Art, Wert und Zahl der gewährten Vorteile.

 

Leitfaden „Hospitality und Strafrecht“

Unter dem Eindruck des Falles Utz Claaßen erstellten die Organisationen S 20 – The Sponsor´s Voice und die Vereinigung der Sportsponsoring Anbieter e.V. im Jahr 2013 einen Leitfaden „Hospitality und Strafrecht“, der Akteure für strafrechtliche Grenzen sensibilisieren und sie dabei unterstützen sollte, die Chancen von Sponsoring in rechtlich zulässigem und moralisch vertretbarem Rahmen zu nutzen.

Konkret für Einladungen in eine Stadion-Lounge führt der Leitfaden die folgenden negativen Indizien auf:

  • Der Angestellte ist maßgeblich in eine aktuelle Beschaffungsentscheidung eingebunden.
  • Es werden Begleitpersonen eingeladen.
  • Es werden hochwertige Geschenke verteilt.
  • Reise- und/oder Unterbringungskosten werden übernommen.
  • Die Einladung dauert mehrere Tage und ist mit anderen hochwertigen Unterhaltungsmedien kombiniert.

Tatsächlich hat der Leitfaden aber einige Schwächen. So wird dort pauschal darauf verwiesen, dass Amtsträger zu Repräsentationszwecken eingeladen werden dürfen. Das stimmt so nicht ganz. Der BGH hat in der Utz-Claassen-Entscheidung ausgeführt, eine Strafbarkeit sei selbst im Falle einer zu den „Dienstpflichten” des Eingeladenen gehörenden „Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben” dann nicht ohne weiteres ausgeschlossen, wenn die Einladung „nicht nur einen solchen dienstlichen Nutzen” hat, sondern auch der „Befriedigung persönlicher Interessen” dient. Das kann bei einem EM-Spiel aber der Fall sein.

 

Entscheidungsleitlinien

Deshalb ist es sinnvoll, über den Leitfaden hinaus die folgenden Schritte zu prüfen und die beschriebenen Maßnahmen umzusetzen, um sicherzugehen, dass Einladungen ohne Risiko ausgesprochen werden können:

 

Schritt 1: Persönlicher Empfänger der Einladung

  • Eine Einladung von Einzelpersonen sollte vermieden werden; vielmehr sollte sich die Einladung an das Unternehmen selbst richten, um eine persönliche Beeinflussung zu vermeiden. In keinem Fall darf sich die Einladung an direkte Ansprechpartner im operativen Bereich richten (z.B. Leiter des Einkaufs, Leiter Vertrieb).
  • Wenn Einladungen an Einzelpersonen gerichtet werden, sollte es sich um hochrangige Personen handeln, also in der Regel Organe (Vorstand/Geschäftsführer) großer Unternehmen, nicht etwa an eine Leiterin Einkauf oder einen Leiter Vertrieb, die eine direkte Ansprechpartnerin im operativen Bereich ist.
  • Amtsträger sollten nur in Ausnahmefällen und ausschließlich zu Repräsentationszwecken eingeladen werden. Geeignet für Repräsentationszwecke sind allenfalls Politiker auf Ebene von Landes-/Bundesministern, Staatssekretären oder hohe kommunale Beamte, nicht hingegen operative Entscheidungsträger. Im Übrigen sind Repräsentationszwecke in einer geschlossenen Stadion-Lounge eher fernliegend; allenfalls werden politische Amtsträger seitens der UEFA zu Repräsentationszwecken eingeladen.

 

Schritt 2: Auswahl der einzuladenden Organisation

  • Um Strafbarkeitsrisiken zu vermeiden, sollte möglichst kein zeitlicher Zusammenhang zu konkreten Geschäftsentscheidungen, die im Unternehmen getroffen werden, bestehen.
  • In Bezug auf Amtsträger sollten diese in keine Entscheidungen oder Maßnahmen ihrer Anstellungskörperschaft – tatsächlich oder potenziell – involviert sein, die das Unternehmen betreffen.
  • Hinsichtlich der Auswahl des Einzuladenden sollten objektive, vom Geschäft losgelöste Kriterien zugrunde gelegt werden. Von einer Einladung von Unternehmen, bei denen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Einladung oder zu den Fußballspielen wesentliche Geschäftsentscheidungen anstehen, sollte abgesehen werden.

Idealerweise sollten feste Kriterien für die Auswahl eines Pools von Geschäftspartnern, die für eine Einladung in Frage kommen, definiert werden. Denkbar sind beispielsweise feste Umsatzschwellen. Innerhalb eines so gewählten Pools sollten für die konkrete Auswahl so weit wie möglich objektive Kriterien herangezogen werden, z.B. Einladung von Geschäftspartnern aus den Ländern, deren Nationalmannschaften gerade spielen.

 

Schritt 3: Inhalt der Veranstaltung

  • Zudem sollten keine unangemessenen, überhöhten Leistungen während der Veranstaltung erbracht werden. Es sollte bei der Einladung zum Fußballspiel und einer angemessenen Bewirtung während der Veranstaltung bleiben. Einladungen von Begleitpersonen sollten ebenso wenig erfolgen wie die Übernahme von Reise- und/oder Übernachtungskosten. Auch sollten keine hochwertigen Gastgeschenke zugewendet werden.

 

Schritt 4: Transparenz

  • Die Einladung sollte möglichst transparent behandelt werden. Stets sollte man – bei einer persönlichen Einladung – vorab eine Zustimmung der Unternehmensleitung bzw. bei Amtsträgern des Dienstherrn einholen.
  • Die Einladung sollte stets an die Unternehmens- bzw. Behördenadresse und nie an die Privatadresse der einzuladenden Person versendet werden.
  • Sofern bei Einladungen von Amtsträgern eine Zustimmung seiner Anstellungskörperschaft eingeholt wird, führt diese als Rechtfertigungsgrund zur Straflosigkeit. Da diese zwingend zeitlich vor der Einladung vorliegen muss, empfiehlt es sich, die Einladung aufschiebend bedingt unter dem Vorbehalt, dass eine solche Zustimmung erteilt wird, auszusprechen. Ein solches Vorgehen wirkt zwar bei Einladungen von Funktionären privatwirtschaftlicher Unternehmen nicht rechtfertigend, erhöht aber die Transparenz, sodass sich die Einholung der Zustimmung der Unternehmensleitung auch hier empfiehlt.

 

Wir haben die wesentlichen Leitlinien in beigefügter Übersicht zusammengefasst. Diese Übersicht ersetzt keine Rechtsberatung im Einzelfall. Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Ihre konkrete Einladungspraxis prüfen und bewerten sollen

 

Entscheidungsleitlinien.pdf